Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückschaffung eigenmächtig entfernter Hausratsgegenstände

 

Leitsatz (amtlich)

§ 1361a BGB ist auch bei verbotener Eigenmacht eines Ehegatten vorrangig anzuwenden.

 

Normenkette

BGB §§ 861, 1361a; HausratsVO § 18

 

Verfahrensgang

AG Weinheim (Beschluss vom 16.08.2005; Aktenzeichen 2 F 180/04 UW, EA I WH)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG Weinheim vom 16.8.2005 (Az.: 2 F 180/04) in Ziff. 1 und 2 dahingehend abgeändert, dass diese wie folgt lauten: ...

 

Gründe

... III. Die Antragsgegnerin kann nicht schon deshalb Gegenstände beanspruchen, weil sie durch verbotene Eigenmacht in den Besitz des Antragstellers gelangt sind.

Der Senat schließt sich zu der Frage, in welchem Verhältnis die hier in Frage kommenden Rechtsvorschriften stehen (§ 861 ff. BGB, § 1361a BGB, § 18 HausratsVO) der Ansicht des AG an.

Zu der anzuwendenden Vorschrift im Falle sog. eigenmächtiger Hausratsverteilung werden folgende Meinungen vertreten:

1. Ein Teil der Rechtsprechung (so etwa OLG Düsseldorf, 9. FamS, FamRZ 1984, 1095 [1095] und 6. FamS, FamRZ 1983, 164 [165]; OLG Bamberg, FamRZ 1993, 335 [336]) und der Lehre (Hambitzer, FamRZ 1989, 236 [237]) vertritt die Auffassung, dass § 861 BGB und § 1361a BGB in freier Anspruchskonkurrenz stehen, weil sie unterschiedliche Rechtsschutzziele haben, indem § 1361a BGB durch richterliche Gestaltung das Recht zum Besitz regele, während § 861 BGB unabhängig von einem Recht zum Besitz den Besitzer schütze und dem Ausschluss des Rechts des Stärkeren diene. Dieser Auffassung zufolge soll es auch zwischen Ehegatten kein Faustrecht geben und wenigstens für eine schnelle Wiederherstellung des Rechtsfriedens gesorgt werden.

2. Die wohl überwiegende Rechtsprechung (BGH FamRZ 1982, 1200; OLG Düsseldorf, 9. FamS, FamRZ 1994, 390 [391] und 5. FamS, FamRZ 1987, 483) und die herrschende Literatur betrachten § 1361a BGB als lex specialis zu § 861 BGB. Der Vorrang von § 1361a BGB unter Ausschluss des Besitzschutzes wird vor allem damit begründet, dass dieses Verfahren speziell auf die Situation im Zusammenhang mit der Trennung von Ehegatten ausgerichtet sei. Den dort statuierten Billigkeitserwägungen, die zugleich ein Korrektiv für die verbotene Eigenmacht darstellen, müsse vorrangig Rechnung getragen werden. Im Sinne der Prozessökonomie würden so mehrere Prozesse mit ggf. widersprüchlichen Entscheidungen vermieden (OLG Düsseldorf, 9, FamS, FamRZ 1994, 390 [391]).

3. Im Rahmen einer vermittelnden Ansicht sind zwei - wenn auch zu gleichen Ergebnissen führende Ansätze - zu unterscheiden:

Nach der in Rechtsprechung (OLG Karlsruhe, FamRZ 2001, 760; OLG Köln, FamRZ 2001, 174) und Literatur (Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 5. Aufl., 2003, § 1361a BGB Rz. 61) teilweise vertretenen vermittelnden Auffassung wird der Besitzschutzanspruch nach § 861 BGB zwar nicht durch § 1361a BGB verdrängt, aber überlagert, gleichwohl aber die Zuständigkeit des FamG begründet. Nach dieser Auffassung können die Gegenstände von dem anderen Ehegatten entweder in analoger Anwendung des § 1361a BGB oder nach § 861 BGB "überlagert" durch den Regelungsinhalt des § 1361a BGB im Rahmen eines Hausratsverteilungsverfahrens zurückverlangt werden, soweit sie nicht der auf Herausgabe in Anspruch genommene Ehepartner zur Deckung seines eigenen notwendigen Bedarfs selbst braucht, wofür selbiger beweisbelastet ist (Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 5. Aufl., 2003, § 1361a BGB Rz. 62).

Der zweite vermittelnde, zu gleichen Ergebnissen führende Ansatz geht davon aus, dass § 1361a BGB zwar die Besitzschutzvorschrift des § 861 BGB verdrängt, andererseits aber nicht die aus der wortlautgetreuen Anwendung des § 1361a BGB folgende Konsequenz eintritt, dass der von verbotener Eigenmacht betroffene Ehepartner lediglich den Hausrat zurückverlangen kann, den er zur Führung eines abgesonderten Haushalts benötigt (Menter, FamRZ 1997, 76 [78f.]).

4. Gegen die unter 1) aufgeführte Meinung spricht entscheidend, dass sie das besondere Verhältnis zwischen den Ehegatten ignoriert, das der Gesetzgeber durch die besondere und flexible Lösung in § 1361a BGB berücksichtigen wollte und zwar gerade auch in der komplizierten Situation, in der sich die Bindung lockert oder sogar ganz auflöst.

Mangels abweichender Ergebnisse der unter 2) und 3) dargestellten Auffassungen bedarf der Meinungsstreit im Übrigen keiner abschließenden Entscheidung. Ob nun § 1361a BGB als lex specialis gegenüber § 861 BGB angesehen wird oder ob davon ausgegangen wird, dass die grds. anwendbare Vorschrift des § 861 BGB durch § 1361a BGB im Falle verbotener eigenmächtiger Hausratsverteilung überlagert wird, ist lediglich eine dogmatische Frage, die mangels differierender Ergebnisse dahingestellt bleiben kann.

Der vermittelnden Meinung wird entgegengehalten, dass durch die Anwendung des den § 861 BGB verdrängenden § 1361a BGB eine Regelungslücke entstünde. Der Ehegatte, dem der Besitz in verbotener Eigenmacht entzogen wurde, könne die Herausgabe...

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