Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumung

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Aktenzeichen 1 S 38/81)

 

Tenor

Eine gemäß § 564 b Abs. 2 Ziff, 2 BGB wegen Eigenbedarfs ausgesprochene Kündigung kann auch darauf gestützt werden, daß der Vermieter die Räume seinem unverheirateten Sohn überlassen möchte, der in eheähnlicher Lebensgemeinschaft mit einer Frau zusammenlebt.

 

Tatbestand

I.

Die Beklagten sind seit 01.01.1977 Mieter in einer Vier-Zimmerwohnung im Hause der Kläger. Mit Schreiben vom 27.12.1979 haben die Kläger das Mietverhältnis zum 31.12.1980 wegen Eigenbedarfs gekündigt und hierbei ausgeführt, daß sie die Wohnung für ihren unverheirateten Sohn benötigten. Der Sohn der Kläger, der in eheähnlicher Lebensgemeinschaft mit einer Frau und deren beiden, nicht von ihm stammenden Kindern derzeit eine Zwei-Zimmerwohnung im Hause der Kläger bewohnt, beabsichtigt, diese zur Deckung seines Wohnbedarfs mit der Vier-Zimmerwohnung zusammenzulegen.

Die Beklagten sind der Auffassung, ein Fall des Eigenbedarfs liege hier nicht vor, da die Lebensgefährtin des Sohnes nicht als Familienangehörige im Sinne von § 564 b Abs. 2 Ziff. 2 BGB gelten könne. Für den Sohn selbst reiche aber die von ihm bewohnte Zwei-Zimmerwohnung aus.

Das Amtsgericht hat die Beklagten zur Räumung verurteilt und ausgeführt, es müsse auch als Eigenbedarf angesehen werden, wenn der Sohn der Kläger die Wohnung für sich und seine Lebensgefährtin sowie deren Kinder benötige. Auch wenn man diese Personen nicht zu den Angehörigen im Sinne von § 564 b Abs. 2 Ziff. 2 BGB zähle, so begründe doch im Hinblick auf die bestehende enge Lebensverbindung auch ihr Wohnbedarf ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses mit den Beklagten.

Mit der Berufung wenden sich die Beklagten gegen diese Auffassung des Amtsgerichts. Sie meinen, dadurch werde der zu berücksichtigende Personenkreis in unzulässiger Weise ausgedehnt. Der Begriff der „Familienangehörigen” sei nach § 8 Abs. 2 des Zweiten Wohnbaugesetzes zu bestimmen. Er umfasse nur Angehörige im familienrechtlichen Sinn. Der Wohnbedarf der mit dem Sohn des Vermieters ohne Ehe zusammenlebenden Partnerin könne deshalb keine Berücksichtigung finden.

Das Berufungsgericht hält diese Frage für entscheidungserheblich; es mißt ihr auch grundsätzliche Bedeutung bei und hat dem Senat folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:

  1. Kann eine gemäß § 564 b Abs. 2 Ziff. 2 BGB wegen Eigenbedarfs ausgesprochene Kündigung darauf gestützt werden, daß der Vermieter die Räume seinem unverheirateten Sohn überlassen möchte, der in eheähnlicher Lebensgemeinschaft mit einer Frau und deren beiden nicht von ihm stammenden Kindern zusammenlebt?
  2. Sofern der hier zu beurteilende Sachverhalt den gesetzlichen Tatbestand des § 564 b Abs. 2 Ziff. 2 BGB nicht erfüllt, kann dann der geltend gemachte Kündigungsgrund als sonstiges berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses anerkannt werden, § 564 b Abs. 1 BGB, oder schließt die Verneinung des Eigenbedarfs in derartigen Fällen die Anerkennung als sonstiges berechtigtes Interesse gemäß § 564 b Abs. 1 BGB aus?
 

Entscheidungsgründe

II.

Die Vorlage ist zulässig.

Es bestehen zwar zunächst Bedenken, ob der zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage in der vom Landgericht gewählten Formulierung grundsätzliche Bedeutung zukommt. Über diese Zulässigkeitsvoraussetzung hat das OLG in eigener Zuständigkeit zu entscheiden.

Dabei war zu beachten, daß es entgegen der Auffassung der Berufung im vorliegenden Falle nicht darauf ankommt, ob die mit dem Sohn der Vermieter in eheähnlicher Gemeinschaft lebende Partnerin als „Familienangehörige” im Sinne von § 564 b Abs. 2 Ziff. 2 BGB angesehen werden kann. Denn es geht hier nicht um den Wohnbedarf der Lebensgefährtin, sondern um denjenigen des Sohnes, der unzweifelhaft Familienangehöriger der Vermieter ist. Zur Entscheidung gestellt wird somit nicht das – möglicherweise grundsätzliche – Problem, wie weit der Personenkreis des § 564 b Abs. 2 Ziff. 2 BGB reicht und ob er etwa nach § 8 Abs. 2 II. WoBauG abzugrenzen wäre, sondern die ganz konkrete Frage, ob das Zusammenleben des Sohnes mit einer Lebensgefährtin und deren beiden, nicht von ihm stammenden Kindern einen berechtigten Eigenbedarf begründen kann. Das ist aber nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil es im Hinblick auf die beiden Kinder einen Sonderfall betrifft und nicht eine unbestimmte Vielzahl gleichgelagerter Fälle. Enthält aber die Vorlage zu viele Einzelheiten des Sachverhalts, so daß die Antwort nicht mehr verallgemeinert werden könnte, ist sie ausnahmsweise dann nicht zurückzuweisen, wenn sie durch Auslegung mit Hilfe der vom Landgericht gegebenen Begründung auf die allgemeine Rechtsfrage zurückgeführt werden kann, um deren Beantwortung es dem Landgericht tatsächlich geht (vgl. OLG Oldenburg WM 81, 125). Das ist hier möglich; das Landgericht will geklärt haben, ob bei der Beurteilung des Eigenbedarfs eines Vermieters auch der erhöhte Raumbedarf eines Sohnes berücksichtigt werden kann,...

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