Leitsatz (amtlich)

Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist trotz vordergründiger Einigung der Eltern über den Lebensmittelpunkt des Kindes erforderlich, wenn andernfalls das Kindeswohl durch den fortbestehenden Elternstreit beeinträchtigt wäre.

 

Verfahrensgang

AG Heidelberg (Aktenzeichen 35 F 137/22)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichtes - Familiengericht - Heidelberg vom 02.12.2022, Az. 35 F 137/22, wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen.

3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das am ... geborene Kind K. auf den Antragsteller.

J. H. (im Folgenden Vater) und M. L. (im Folgenden Mutter) lernten sich im Jahr 1995 auf einer Reise in Mexiko kennen und schlossen am ... die Ehe miteinander. Die Mutter stammt gebürtig aus Mexico-City. Sie ist promovierte Biologin. Während der Ehe war sie hauptsächlich für die Versorgung der Kinder und den Haushalt zuständig. Der Vater ist habilitierter Geologe und Paläontologe.

Aus der Ehe sind neben der am ... geborenen K. noch die weiteren Kinder L. H., geb. ..., und die mittlerweile volljährige C. H., geb. ..., hervorgegangen. Im Jahr 2006 nahm der Vater eine Professur für Geowissenschaften in T. in K. an, woraufhin die Familie in der Zeit von 2006-2012 in T. lebte. Im Jahr 2012 kehrte die Familie auf Wunsch des Vaters nach Deutschland zurück. Seitdem wohnte die Familie im Heimatort des Vaters, in B., in der Nähe der Großmutter väterlicherseits. Der Vater verrichtet seine Tätigkeit überwiegend von Deutschland aus; mehrmals im Jahr ist er für mehrere Tage am Stück berufsbedingt in K.

Ab dem Jahr 2020 kam es zunehmend zu lautstarken und heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Eltern und auch zwischen der Mutter und den Kindern. Aus Sicht der Mutter resultierten die Konflikte aus den konträren Erziehungsstilen, aber auch aus elterlichen Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Beschulung von K. und weiteren Erziehungsfragen. In der Folge hielt sich die Mutter in der Zeit vom 15.10.2020 bis 29.12.2020 in ihrem Geburtsland in Mexiko auf. Nach ihrer Rückkehr kam es im Januar 2021 zur Trennung der Eheleute; die Mutter bewohnte sodann bis März 2021 im gemeinsamen Haus den Keller.

Anfang des Jahres 2021 wurde in der Familie eine Hilfe zur Erziehung in Form einer aufsuchenden Familientherapie installiert, nachdem sich der Vater im Dezember 2020 hilfesuchend an das Jugendamt gewandt hatte. Zu Beginn der Hilfe stand die aufgrund der familiären Streitigkeiten stark belastete Tochter L. im Fokus, da diese eine Essstörung entwickelte, soziale Rückzugstendenzen zeigte und suizidale Gedanken äußerte. L. lebt noch immer im Haushalt des Vaters und lehnt einen - persönlichen - Kontakt zur Mutter ab. Die zum damaligen Zeitpunkt 16-jährige C., die mittlerweile in Düsseldorf studiert, übernahm die Mutterrolle. Auch sie steht der Mutter ablehnend gegenüber. Nachdem das Jugendamt in Anbetracht der massiven Spannungen auch eine räumliche Trennung der Eltern empfohlen hatte und sich die Mutter eine eigene Wohnung finanziell nicht leisten konnte, reiste sie erneut vom 31.03.2021 bis zum 13.06.2021 nach Mexiko Die Kinder verblieben während der Auslandsaufenthalte der Mutter jeweils im Haushalt des Vaters und wurden von diesem betreut und versorgt. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland kam es im Juli 2021 wiederholt zu - auch handgreiflichen - ehelichen Auseinandersetzungen, im Rahmen derer der Vater die Einweisung der Mutter in das Psychiatrische Zentrum Nordbaden (PZN) veranlasste. Hier ließen sich keine Hinweise auf produktivpsychotische Symptome, Ich-Störungen oder akute Eigen- oder Fremdgefährdungsmomente finden, so dass die Mutter wieder entlassen wurde.

Am 02.07.2021 stellte der Vater in dem Verfahren des Amtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg, AZ.: 35 F 97/21, den Antrag, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für K. auf ihn zu übertragen. Bereits in diesem Verfahren elterliche Sorge unterstützten die Verfahrensbeiständin und das Jugendamt den Antrag des Vaters, um K. Stabilität und Klarheit zu bringen. Schon in diesem Verfahren erklärte die Mutter, mit dem Aufenthalt aller Kinder im Haushalt des Vaters einverstanden zu sein. Die Eltern schlossen daraufhin am 29.07.2021 eine gerichtliche Vereinbarung dahingehend, dass die Mutter aus dem gemeinsamen Haus auszieht und dass der Aufenthalt der Kinder - bis auf Weiteres - im Haushalt des Vaters in B. ist. Die Vereinbarung wurde umgesetzt.

Von Januar 2022 - September 2022 lebte die Mutter erneut in Mexiko. In dieser Zeit besuchte K. ihre Mutter vom 22.08.2022 bis 10.09.2022, wobei sie von ihrem Vater nach Mexiko begleitet wurde. Im September 2022 kehrte die Mutter nach Deutschland zurück und zog -...

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