Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsauslegung: Ungenaue Bezeichnung der Erbteilsquoten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Allein im Ausspruch des Nachlassgerichts, wonach "der beantragte Erbschein erteilt" wird, liegt noch keine Erbscheinserteilung i.S.v. § 352 FamFG.

2. Zur Auslegung einer testamentarischen Bestimmung, in der die den einzelnen Miterben zugewendeten Erbteile ihrer Größe nach lediglich in ungenauer Weise ("ein bedeutender Betrag"; "ein großer Teil"; "ein Teil") bezeichnet sind.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2084; FamG § 352

 

Verfahrensgang

Notariat Waldshut-Tiengen (Beschluss vom 21.05.2010; Aktenzeichen II NG 205/2009)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten 3 wird der Beschluss des Notariats II Waldshut-Tiengen - Nachlassgericht - vom 21.5.2010 (II NG 205/2009) aufgehoben.

Die weitergehende Beschwerde des Beteiligten 3 wird zurückgewiesen.

2. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beteiligten 1 und 3 je zur Hälfte. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 48.333 EUR festgesetzt.

2.

 

Gründe

I. Mit der Beschwerde wendet sich der Beteiligte 3 gegen die Erteilung eines Erbscheins, der seiner Meinung nach unzutreffende Erbteilsquoten der testamentarisch bedachten drei gemeinnützigen Organisationen, der Beteiligten 1 bis 3, ausweist.

Dem Streit liegt ein von der am 23.10.2009 in W. verstorbenen D. H. und ihrem vorverstorbenen Ehemann am 1.4.1987 errichtetes gemeinschaftliches handschriftliches Testament zugrunde. In diesem setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten weiter, dass ("vom Nachlass von uns beiden") "erstens ein bedeutender Betrag" an den Beteiligten 3, "zweitens ein großer Teil" an den Beteiligten 2 und "drittens ein Teil" an den Beteiligten 1, "evtl. auch zum Kauf eines neuen Struppi-Wagen", gehen sollte. Die Eigentumswohnung sollte verkauft werden und "das Inventar an bedürftige ordentliche Familien" gehen.

Am 8.3.2010 hat der Beteiligte 2 einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins eingereicht, wonach die Beteiligten zu je 1/3 Erben geworden seien. Der Beteiligte 3 erstrebte mit seinem am 10.3.2010 eingereichten Erbscheinsantrag eine Ausweisung der Erbteile wie folgt: Beteiligter 1 zu 2/10, Beteiligter 2 zu 3/10, Beteiligter 3 zu 5/10.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 21.5.2010, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Nachlassgericht auf Antrag des Beteiligten 2 ausgesprochen:

"1. Die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten 2 vom 2.3.2010 erforderlich sind, werden für festgestellt erachtet. Der beantragte Erbschein wird erteilt.

2. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3 vom 8.3.2010 wird zurückgewiesen.

3. Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses wird ausgesetzt."

Der Beteiligte 3 verfolgt mit der dagegen gerichteten Beschwerde seinen eigenen Erbscheinsantrag weiter. Er vertritt die Auffassung, in der testamentarischen Verfügung komme durch die unterschiedliche Bezeichnung der Zuwendungen und die mit "erstens, zweitens ..." zum Ausdruck gebrachte Rangfolge deutlich zum Ausdruck, dass nach dem Willen der Erblasser in dieser Reihenfolge unterschiedlich hohe Erbteile zugeteilt werden sollten. Die Umsetzung dieses Willens erfordere die von ihm begehrte Abstufung der Erbquoten.

Die Beteiligten 1 und 2 sind der Beschwerde entgegengetreten. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. 1. Die gem. § 58 FamFG statthafte Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerdefrist ist gewahrt (§ 63 Abs. 1 FamFG). § 352 Abs. 3 FamFG steht der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist der Erbschein ab Erteilung nicht mehr mit der Beschwerde anfechtbar. Im vorliegenden Fall hat das Nachlassgericht zwar ausgesprochen: "Der beantragte Erbschein wird erteilt"; darin liegt aber noch keine Erteilung des Erbscheins i.S.d. § 352 FamFG. Vielmehr ist ein Erbschein erteilt, sobald er in Urschrift oder Ausfertigung dem Antragsteller ausgehändigt oder übersandt wurde (Keidel/Zimmermann, FamFG, 16. Aufl., § 352 Rz. 130 m. N.). Das ist hier im Hinblick auf die Aussetzung der Wirksamkeit des Beschlusses durch das Nachlassgericht bisher nicht geschehen.

2. Der Umstand, dass das Nachlassgericht verfahrensfehlerhaft den Inhalt der telefonisch eingeholten Auskunft der ehemaligen Betreuerin W. unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs den Beteiligten erst in den Gründen seiner Entscheidung mitgeteilt hat und die Sache nach Einlegung der Beschwerde entgegen § 68 Abs. 1 FamFG ohne begründete Beschlussentscheidung über die Abhilfe/Nichtabhilfe (Keidel/Sternal, a.a.O., § 68 Rz. 12) vorgelegt hat, nötigt nicht zur Zurückverweisung ohne Sachentscheidung durch das Beschwerdegericht. Denn die Beteiligten hatten im Beschwerdeverfahren Gelegenheit, zu den Angaben der Zeugin W. Stellung zu nehmen, und das Beschwerdegericht kann eine Entscheidung in der Sache ohne aufwendige Beweiserhebung t...

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