Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis. Testamentsauslegung. Ersatzerbeinsetzung der Abkömmlinge von Geschwistern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Abgrenzung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis, wenn der Erblasser das Grundstück einer Person und das wertmäßig überwiegende Geldvermögen vier anderen Personen vermacht hat und mit dieser Verteilung praktisch über seinen gesamten Nachlass verfügt hat.

2. Auslegung eines Testaments als Ersatzerbeinsetzung der Abkömmlinge bedachter Geschwister, wenn der Erblasser seine zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch lebenden Geschwister und den Sohn einer damals bereits verstorbenen Schwester gleichmäßig bedacht hat.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2087, 2096, 2099, 2048, 2087 Abs. 2, § 2094

 

Verfahrensgang

LG Memmingen (Beschluss vom 16.11.2006; Aktenzeichen 4 T 1778/06)

AG Neu-Ulm (Aktenzeichen VI 356/04)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des LG Memmingen vom 16.11.2006 in Ziff. I abgeändert und neu gefasst wie folgt:

"I.1 Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des AG Neu-Ulm vom 2.2.2006 in Ziff. 2 aufgehoben. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 4 bis 10 vom 22.11.2005 wird zurückgewiesen.

I.2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen."

II. Im Übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 385.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die am 14.5.2004 im Alter von 89 Jahren verstorbene Erblasserin war ledig und kinderlos. Sie hatte vier Schwestern: A (Mutter der Beteiligten zu 4-7), M (Mutter der Beteiligten zu 8-10), Al (Beteiligte zu 2, Mutter der Beteiligten zu 1 und 11) und E (Mutter des Beteiligten zu 3). Die Schwester E war 1956 vorverstorben. Die Schwestern A und M waren zum Zeitpunkt, als die Erblasserin am 15.12.1992 das nachfolgend aufgeführte Testament errichtete, noch am Leben, sind jedoch nach Errichtung des Testaments in den Jahren 1995 und 1997 vorverstorben.

Das privatschriftliche Testament vom 15.12.1992 hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut:

"Nach meinem Ableben soll mein Haus an I (Beteiligte zu 1) übergehen, aber nicht auf deren Ehemann. Sollte I etwas zustoßen, so soll es auf deren Tochter J. übergehen. Das Haus darf aber nicht verkauft werden. Die Grabpflege soll von dem Hausbesitzer übernommen werden. Der Grabstein der standesgemäß und mit einer Muttergottes versehen werden soll, soll von meinen Ersparnissen abgezogen werden, Mindestbetrag 10.000 DM. I braucht nichts an andere auszubezahlen.

Mein erspartes Geld soll auf meine Geschwister aufgeteilt werden, zu gleichen Teilen. An T (Beteiligte zu 2), aber nicht auf deren Ehemann, an M und an T. Ich hoffe, dass sie einen Teil davon an ihre Kinder verteilen. Vom Hausbesitzer soll übernommen werden, dass jährlich eine Jahresmesse sowie 2 weitere kl. Messen für mich gelesen werden.

Th (Beteiligter zu 3), der Sohn von meiner Schwester E die gestorben ist soll den gleichen Anteil bekommen wie meine Geschwister (wie oben angeführt). Ich hoffe, dass Ihr auch im Gebet an mich denkt, da ich meine Ersparnisse mit meiner Hände Arbeit sauer verdient habe.

Die Verteilung sollen (Beteiligter zu 11) und (Beteiligter zu 4) übernehmen ... Ich hoffe, dass alles ehrlich verteilt wird und kein Streit entsteht ...

(Ort, Datum, Unterschrift)"

Nach den damaligen Angaben und Ermittlungen ging das Nachlassgericht von einem Wert des Hauses i.H.v. rund 223.000 EUR aus und von einem Geldvermögen i.H.v. 152.716 EUR. Es erteilte am 23.11.2004 einen Erbschein, der die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin sowie die Testamentsvollstreckung ausweist.

Mit Schriftsatz vom 22.11.2005 beantragten die Beteiligten zu 4 bis 10 die Einziehung dieses Erbscheins und die Erteilung eines neuen Erbscheins, wonach die Erblasserin aufgrund letztwilliger Verfügung von den Beteiligten zu 2 und 3 zu je ¼, von den Beteiligten zu 4 bis 7 zu je 1/16 und von den Beteiligten zu 8 bis 10 zu je 1/12 beerbt worden ist. Zur Begründung ist ausgeführt, dass nachträglich ein Geldvermögen von mindestens 770.000 EUR festgestellt worden sei. Die ursprüngliche Annahme der Beteiligten und des Nachlassgerichts, dass das der Beteiligten zu 1 zugewandte Haus den wesentlichen Vermögensgegenstand der Erblasserin darstelle und sie deshalb Alleinerbin sei, habe sich damit als unzutreffend herausgestellt.

Mit Beschluss vom 2.2.2006 zog das Nachlassgericht den Alleinerbschein ein und kündigte im Wege des Vorbescheids an, einen neuen Erbschein wie von den Beteiligten zu 4 bis 10 beantragt zu erteilen. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1, der das Nachlassgericht nach weiteren Ermittlungen nicht abhalf, wies das LG mit Beschluss vom 16.11.2006 zurück. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. Die vom Nachlassgericht angeordnete Einziehung des Erbscheins ist noch nicht vollzogen.

II. Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Sie bleibt erfolglos, soweit sie sich ...

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