Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsstaatsprinzip. faires Verfahren. Bußgeldverfahren. Rechtsbeschwerde. Rohmessdaten. Verkehrsrecht. Strafprozessrecht/OWiG. Kein Beweisverwertungsverbot bei fehlenden Rohmessdaten

 

Normenkette

OWiG § 46 Abs. 1; StPO § 261; EMRK Art. 6

 

Verfahrensgang

AG Singen (Entscheidung vom 19.07.2019; Aktenzeichen 6 OWi 51 Js 12441/19)

 

Tenor

  1. Die Sache wird in Bezug auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts S. vom 19. Juli 2019 hinsichtlich Tat Ziffer 1 durch die rechts unterzeichnenden Einzelrichterin gemäß § 80a Abs. 3 OWiG dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
  2. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts S. vom 19. Juli 2019 hinsichtlich Tat Ziffer 1 wird als unbegründet verworfen.
  3. Der Antrag der Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts S. vom 19. Juli 2019 hinsichtlich Tat Ziffer 2 zuzulassen, wird durch die rechts unterzeichnende Einzelrichterin als unbegründet verworfen.
  4. Die Betroffene trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG).
 

Gründe

I.

Das Amtsgericht S. verurteilte die Betroffene am 19.7.2019 (BeckRS 2019, 17511) wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften in zwei Fällen zu einer Geldbuße in Höhe von 160 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot sowie zu einer weiteren Geldbuße in Höhe von 80 Euro. Nach den Urteilsfeststellungen überschritt die Betroffene am 31.12.2018 in S. auf der H-straße die dort in der Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr auf 30 km/h begrenzte zulässige Höchstgeschwindigkeit um 23:08 Uhr, Fahrtrichtung stadteinwärts, um 35 km/h (Tat Ziffer 1) und wenige Minuten später, um 23:12 Uhr, Fahrtrichtung stadtauswärts, um 21 km/h (Tat Ziffer 2). Die Messung erfolgte mit dem Laserscanner-Geschwindigkeitsmessgerät TraffiStar S350 der Firma Jenoptik.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde und einem "vorsorglichen" Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Sie rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts und beanstandet die tatmehrheitliche Würdigung des o.g. Sachverhalts, die Versagung rechtlichen Gehörs bzw. die Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht sowie die Verletzung ihrer Rechte auf eine wirksame Verteidigung und ein faires Verfahren.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,

die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Zu diesem Antrag hat der Verteidiger mit Schrift vom 8.10.2019 Stellung genommen.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde gegen die Verurteilung zu der Geldbuße in Höhe von 160 Euro und zu einem einmonatigen Fahrverbot (Tat Ziffer 1) ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt jedoch zu keinem Erfolg in der Sache.

a) Die von der Betroffenen in zulässiger Weise erhobene Rüge der Verletzung ihres Anspruchs auf ein faires Verfahren und eine effektive Verteidigung ist nicht begründet.

Unter Verweis auf die vom Verfassungsgerichtshof des Saarlandes in dessen Urteil vom 5.7.2019 (- LV 7/17 -, NJW 2019, 2456) vertretene Rechtsauffassung hält die Betroffene das mit einem Geschwindigkeitsmessgerät TraffiStar S350 gewonnene Messergebnis für unverwertbar, weil es mangels Speicherung der Einzelmessdaten, der sogenannten Rohmessdaten, von ihr nicht nachträglich sachverständig überprüfbar und sie daher in ihrer Verteidigung in einer gegen den fair trial-Grundsatz verstoßenden Weise beschränkt sei.

Der Senat teilt die genannte, ihn nicht bindende Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes nicht. Die Verwertbarkeit der Ergebnisse von Geschwindigkeitsmessungen mit standardisierten Messverfahren hängt nicht von ihrer nachträglichen Überprüfbarkeit anhand von Rohmessdaten durch den von der Messung Betroffenen ab (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6.11.2019 - 2 Rb 35 Ss 808/19 -, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8.8.2019 - 2 RBs 123/19 -, juris; OLG Oldenburg, Beschluss vom 9.9.2019 - 2 Ss (OWi) 233/19 -, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.9.2019 - 1 Rb 28 Ss 300/19 -, juris; OLG Köln, Beschluss vom 27.9.2019 - 1 RBs 339/19 -, juris; KG Berlin, Beschluss vom 2.10.2019 - 3 Ws (B) 296/19 - 162 Ss 122/19, juris; BayObLG, Beschluss vom 9.12.2019 - 202 ObOWi 1955/19 -, juris; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 20.12.2019 - II OLG 65/19 -, juris).

aa) In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass es sich bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Lasermessgerät TraffiStar S350 um ein standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. BayObLG, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2019 - 2 RbS 141/19 -, juris; OLG Köln, VerkMitt 2019, Nr. 61; OLG Rostock, Beschluss vom 22.1.2019 - 21 Ss OWi 251/18 (B) -, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 9.3.2017 - 5 RBs 29/17 -, juris). Dies und die "bundesrechtlich vorgegeben[en ...] Grundsätze der judikativen Verarbeitung der Ergebnisse standardisierter Messverfahren auf der Grundlage der Rechtsprechung des ...

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