Leitsatz (amtlich)

§ 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist im Bewilligungsverfahren nicht - auch nicht analog - anzuwenden.

 

Verfahrensgang

AG Konstanz (Beschluss vom 07.02.2014; Aktenzeichen 6 F 241/13)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Konstanz vom 7.2.2014 (6 F 241/13) aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin wendet sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.

Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 30.1.2014 die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Sie hat dazu eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Auf dieser sind unter der Rubrik "Bank-, Giro-, Sparkonten und dergleichen?" lediglich zwei Konten bei der Sparkasse S. angegeben. Noch im Verhandlungstermin hat das Gericht ihr die Vorlage weiterer, im Einzelnen bezeichneter Unterlagen aufgegeben. Solche wurden mit Schriftsatz vom 6.2.2014 vorgelegt.

In der Akte zur Verfahrenskostenhilfe befindet sich die Kopie eines Schriftsatzes der gegnerischen Verfahrensbevollmächtigten vom 31.1.2014 aus dem Parallelverfahren 6 F 242/13, in dem darauf hingewiesen wird, dass die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 24.1.2014 versichert habe, "kein weiteres Konto und schon gar kein Konto in der Schweiz" zu haben. Entsprechender Vortrag ist auch im vorliegenden Verfahren mit Schriftsatz vom gleichen Tage (Hauptakte As. 103) erfolgt.

Das AG hat mit Beschluss vom 30.1.2014 die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abgelehnt. Die Antragsgegnerin habe falsche bzw. unvollständige Angaben gemacht, indem sie ein Konto bei der Raiffeisenbank in der Schweiz verschwiegen habe. Das Gericht verweist auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 124 ZPO (BGH v. 10.10.2012 - IV ZB 16/12, FamRZ 2013, 124).

Gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 12.2.2014 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin mit am 21.2.2014 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Sie sei tatsächlich Inhaberin eines Kontos bei der Raiffeisenbank ... Ihr Arbeitgeber bestehe darauf, ihr Gehalt auf ein Schweizer Konto einzuzahlen. Sie habe dies nicht bewusst verschwiegen, sondern sei dem Irrtum unterlegen, dass es auf die Benennung dieses Kontos nicht ankomme, da es sich lediglich um ein Durchgangskonto handle und das Guthaben bereits zum Monatsbeginn auf das deutsche Konto verbracht werde. Zum Beleg legt sie eine Aufstellung der Kontobewegungen im Zeitraum vom 25.10.2013 bis 17.2.2014 vor.

Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Wenn eine Aufhebung bewilligter Verfahrenskostenhilfe wegen Falschangaben unabhängig von deren Auswirkungen auf die Unrichtigkeit der Bewilligung erfolgen könne, so müsse dies erst recht für die Bewilligungsentscheidung gelten.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, des Vorbringens der Antragsgegnerin und der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 114 ff., 127 ZPO) ist in der Sache begründet.

Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe kann aus den dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegenden Erwägungen nicht versagt werden. Die Vorschrift des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist im Bewilligungsverfahren nicht anzuwenden (1). Im Übrigen liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift nicht vor (2) und lässt die angefochtene Entscheidung nicht erkennen, dass das von § 124 ZPO geforderte Ermessen ausgeübt worden wäre (3).

1. § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist im Bewilligungsverfahren nicht analog anzuwenden (OLG Brandenburg v. 20.2.2007 - 10 WF 41/07, zitiert nach Juris; wohl auch OLG Köln v. 24.4.1995 - 25 WF 72/95, OLGR 1995, 327; a.A. OLG Bamberg v. 2.8.2013 - 4 U 38/13, FamRZ 2014, 589; LAG Hamm v. 30.1.2002 - 4 Ta 148/01 und v. 18.3.2003 - 4 Ta 446/02, jeweils zitiert nach Juris).

a) Die Vorschrift ist nach Inhalt und systematischer Stellung im Rahmen der §§ 114 ff. ZPO für das auf Aufhebung bereits ergangener Bewilligungsentscheidungen gerichtete Verfahren konzipiert und nicht für das Bewilligungsverfahren. Das Bewilligungsverfahren ist von Erklärungs- und Mitwirkungspflichten der Verfahrenskostenhilfe beantragenden Partei und Hinweispflichten des Gerichts bei der Aufklärung der subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen (Bedürftigkeit) geprägt (vgl. Zimmermann, Prozesskosten- und Verfahrenskostenhilfe, 4. Aufl. 2012, Rz. 241, 243; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 6. Aufl. 2012, Rz. 148 ff.). Das Prüfungsverfahren (§§ 117, 118 ZPO) sieht bei unzureichender Mitwirkung und bei fehlerhaften Angaben des Antragstellers ein differenziertes Instrumentarium vor. Dies beginnt mit der Möglichkeit, die Bewilligung abzulehnen, wenn auch nach Fristsetz...

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