Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Bewertung der Fahrkosten zur Arbeitsstätte im Rahmen der Prozesskostenhilfeprüfung. Bewertung der Fahrtkosten zur Arbeitsstätte im Rahmen der Prozesskostenhilfeprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen der Prozesskostenhilfe sind bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens gem. § 115 ZPO für Fahrten zur Arbeitsstätte entsprechend Nr. 10.2.2. der Süddeutschen Leitlinien pro gefahrenem Kilometer 0,30 EUR vom Einkommen abzuziehen.

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Offenburg (Beschluss vom 06.11.2007; Aktenzeichen 2 F 105/07)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG Offenburg - Familiengericht - vom 6.11.2007 - 2 F 105/07 - in der Fassung des Abhilfebeschlusses vom 6.11.2007 geändert:

Die Partei hat monatliche Raten von 115 EUR auf die bewilligte Prozesskostenhilfe an die Landeskasse zu zahlen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die nach § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist auch, soweit ihr nicht abgeholfen worden ist, begründet.

Das AG - Familiengericht - hat der Beschwerde nicht in weiteren Umfang abgeholfen, weil es hinsichtlich der Fahrtkosten der Auffassung gefolgt ist, dass gem. § 3 der Durchführungsverordnung zu § 82 SGB XII Fahrtkosten nur mit 5,20 EUR je Entfernungskilometer einfache Wegstrecke anzusetzen sind. Das AG - Familiengericht - folgt damit einer in der Rechtsprechung der OLG weit verbreiteten Auffassung (OLG Koblenz FamRZ 2009, 531; OLG Brandenburg FamRZ 2008, 158; OLGReport Bamberg 2008, 501; OLG Zweibrücken FamRZ 2006, 799; [abweichend aber OLG Zweibrücken FamRZ 2006, 436]; OLG Düsseldorf FamRZ 2007, 644; OLGReport Stuttgart 2008, 36; Schürmann FuR 2006, 14, 15), der sich jedoch der Senat in Übereinstimmung mit dem 16. Senat (OLG Karlsruhe FamRZ 2008, 2288) und dem OLG Nürnberg (FamRZ 2008, 1961) nicht anschließt (Beschluss des OLG Karlsruhe vom 26.7.2007 - 5 WF 63/07, FamRZ 2008, 69 - sowie vom 30.7.2007 - 5 WF 79/07).

Anzusetzen sind vielmehr entsprechend der Süddeutschen Leitlinien 10.2.2 pro gefahrenemn Kilometer 0,30 EUR. Eine Reduzierung dieser Fahrtkosten auf den nach § 3 Abs. 6 der Durchführungsverordnung zu § 82 Abs. 2 SGB XII bestimmten Betrag kommt nicht in Betracht. Denn diese Verordnung ist entgegen einer verbreiteten Auffassung für die Berechnung des anzusetzenden Einkommens nach § 115 ZPO nicht maßgebend. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO verweist ausdrücklich nur auf § 82 Abs. 2 SGB XII, nicht auf die Verordnungsermächtigung in § 96 Abs. 1 SGB XII, um die Zivilgerichte nicht mehr als unbedingt nötig an das abweichend strukturierte Sozialrecht zu binden (vgl. Begr. BT-Drucks. 12/6963 S. 12; Musielak/Fischer, ZPO, 6. Aufl. 2008, § 115 Rz. 11). Bereits die Begrenzung der anzurechenbaren Fahrtkosten auf eine Entfernung von 40 km in § 3 Abs. 6 der Durchführungsordnung zeigt die Unterschiede auf. Bei der Inanspruchnahme von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 19 SGB XII ist eine derartige Begrenzung sinnvoll, weil eher verlangt werden kann, dass der Hilfebedürftige sich eine Arbeitsstelle in einem Umkreis von 40 km sucht oder den Aufenthaltsort wechselt, bevor erhebliche Fahrtkosten zur Arbeitsstelle von der Allgemeinheit über die Hilfe zum Lebensunterhalt getragen werden. Derartige Gesichtspunkte können aber für die Prozesskostenhilfe nicht herangezogen werden, weil es sich um eine einmalige und nicht laufende Hilfe handelt und deshalb ein Wechsel der Arbeitsstelle oder ein Aufenthaltswechsel zur Reduzierung der Fahrtkosten nicht verlangt werden kann. Die tatsächlichen Fahrtkosten sind deshalb ebenso zu berücksichtigen wie vor Beginn des Rechtsstreits eingegangene Verbindlichkeiten (dazu s Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 115 ZPO Rz. 38).

Zwar können auch ohne Bindung § 3 der Durchführungsverordnung grundsätzlich Anhaltspunkte für die Berechnung des Einkommens entnommen werden. Die Reduzierung der Fahrtkosten entsprechend der Verordnung wäre aber sachlich nicht gerechtfertigt. Denn der in der Verordnung angesetzte Betrag von 5,20 EUR monatlich pro Entfernungskilometer (= DM 10,00) wurde 1976 festgesetzt (Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des § 76 BSHG vom 23.11.1976 - BGBl. I 1976, 3234) und seither nicht verändert. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass mit diesem Wert heutige Fahrtkosten nicht realistisch dargestellt werden können.

Berücksichtigt man die Fahrtkosten entsprechend den Süddeutschen Leitlinien mit monatlich 110 EUR, ergibt sich eine zu zahlende Raten von 115 EUR.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2211087

FamRZ 2009, 1424

AGS 2009, 549

OLGR-Süd 2009, 686

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