Leitsatz (amtlich)

Eine länger dauernde Einschränkung des Umgangsrechts des Vaters durch die Anordnung lediglich begleiteter Umgangskontakte bei gleichzeitigem Ausschluss von Übernachtungs- und Ferienumgängen ist nicht gerechtfertigt, wenn sich nach Ausschöpfung der gerichtlichen Aufklärungsmöglichkeiten eine konkrete Gefährdung des Kindes durch unbegleitete Umgangskontakte aus in der Person des Vaters liegenden Gründen nicht feststellen lässt (hier: von der Mutter geäußerter Verdacht des sexuellen Missbrauchs).

 

Normenkette

BGB § 1684 Abs. 4 Sätze 1-3; GG Art. 6 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Baden-Baden (Aktenzeichen 15 F 177/18)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Baden-Baden vom 27.03.2019, erlassen am 28.03.2019, Aktenzeichen 15 F 177/18, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gegeneinander aufgehoben werden.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Verfahrenswert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Verfahren betrifft die Regelung des Umgangs zwischen dem Kind M. R., geboren am ..., und seinem Vater.

M. ist als einziges Kind aus der im September 2015 geschiedenen Ehe seiner Eltern hervorgegangen. Die Eltern trennten sich bereits kurz nach seiner Geburt; seither hat das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei der Mutter. Mit dem Vater fanden seit der Trennung regelmäßige Umgangskontakte am Wochenende statt, welche zunächst alle zwei Wochen, ab Sommer 2016 jede Woche am Wochenende in der Wohnung der Mutter ausgeübt wurden. Ab Sommer 2017 holte der Vater das Kind jede Woche am Wochenende für einen Tag (tagsüber) zu sich nach Hause. Im Sommer 2018 einigten sich die Eltern mit Unterstützung des Jugendamts darauf, dass der Umgang ab Ende August 2018 alle zwei Wochen am Wochenende von Samstag auf Sonntag mit einer Übernachtung stattfinden solle. Eine zweite Übernachtung sollte zu einem späteren Zeitpunkt hinzukommen.

Die Mutter gibt an, das Kind habe nach der Rückkehr von einem Umgangskontakt am Abend des 12.08.2018 - noch vor dem ersten geplanten Übernachtungsumgang beim Vater - das Wort "Penis" vor sich hin gesungen. Außerdem habe es den Großvater mütterlicherseits gefragt, ob dieser einen Penis habe und ihn aufgefordert, seinen Penis zu zeigen. Auf Nachfrage der Mutter habe das Kind ferner erzählt, sein Papa habe ihm den Penis gezeigt; der Großvater väterlicherseits habe dies mitbekommen und mit dem Papa geschimpft. Außerdem habe der Papa ihm auf dem Handy Fotos von einem Penis gezeigt.

Die Mutter informierte hierauf den Vater von den Äußerungen des Kindes, der wiederum seinerseits Mitte August 2018 beim Jugendamt um Rat nachsuchte. In der Folgezeit kam es zu wiederholten Kontakten zwischen dem Jugendamt und der Mutter, in denen die Mutter über den weiteren Verlauf informierte.

An den Wochenenden vom 25./26.08.2018 und vom 08./09.09.2018 fanden wie geplant die ersten Umgangswochenenden mit Übernachtung beim Vater statt. Die Mutter gibt an, dass das Kind nach diesen Umgangswochenenden jeweils nur von den Übernachtungen als solchen erzählt habe. In anderen Situationen habe das Kind aber immer wieder nach dem Penis des Großvaters mütterlicherseits gefragt und auf Nachfrage der Mutter erklärt, der Papa habe gesagt, wenn er so etwas erzähle, dürfe er den Vater nicht mehr bei diesem zu Hause besuchen.

Nach Angaben der Mutter habe das Kind am Abend des 21.09.2018, unmittelbar vor dem dritten geplanten Umgangswochenende, nach dem Duschen gefragt, ob seine Mutter seinen Penis fotografieren wolle. Auf Frage seiner Mutter, was dies für ein Spiel sei, habe das Kind erklärt, es handele sich um ein Spiel, das es mit seinem Vater spiele. Der Vater fotografiere dann auch seinen Penis. Hierauf sagte die Mutter das Umgangswochenende mit dem Vater ab. Am 24.09.2018 habe die Großmutter mütterlicherseits das Kind beaufsichtigt. Hierbei habe das Kind seine Großeltern mütterlicherseits aufgefordert, mit ihm das Spiel "Penisdoktor" zu spielen, bei dem der Penis untersucht werde. Das Kind habe erklärt, dass es dieses Spiel mit seinem Vater gespielt und den Penis des Vaters untersucht habe.

Mit Telefax vom 27.09.2018 informierte das Jugendamt das zuständige Kriminalkommissariat des Polizeipräsidiums O. über einen Verdacht auf sexuelle Handlungen an dem Kind.

In dem hierauf eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Vater wurden am 20.11.2018 die Wohnung und der Pkw des Vaters nach elektronischen Datenträgern und Smartphones durchsucht. Bei der Auswertung der sichergestellten Laptops, Smartphones und sonstiger Datenträger ergaben sich keine Hinweise auf ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Vaters.

Das Ermittlungsverfahren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 28.12.2018 eingestellt, weil der zunächst bestehende Anfangsverdacht nicht mehr aufrecht zu erhalten sei. Die von der Mutter hiergegen eingelegte Beschwerde zur Generalstaatsanwaltschaft blieb ohne Erfolg.

Bereits am 04.1...

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