Leitsatz (amtlich)

Setzt das Gericht im Zivilprozess von Amts wegen einen Streitwert fest, obwohl in dem betreffenden Verfahren keine Gerichtsgebühren anfallen, für die es auf den Streitwert ankäme, ist eine Beschwerde gegen die Festsetzung unzulässig. Die Partei ist durch eine solche Entscheidung nicht beschwert, und zwar auch nicht im Hinblick auf eventuelle Anwaltsgebühren.

 

Verfahrensgang

LG Waldshut-Tiengen (Beschluss vom 03.12.2008; Aktenzeichen 2 O 243/07)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Waldshut-Tiengen vom 3.12.2008 - 2 O 243/07 - wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat im Verfahren vor dem LG Prozesskostenhilfe beantragt für eine beabsichtigte Klage gegen den Antragsgegner. Der Prozesskostenhilfeantrag ist zurückgewiesen worden. Mit Beschluss vom 3.12.2008 hat das LG Waldshut-Tiengen "gemäß § 63 Abs. 2 GKG" den Streitwert auf 450.000 EUR festgesetzt.

Mit einem am 14.12.2008 beim LG Waldshut-Tiengen eingegangenen Schriftsatz hat die Antragstellerin gegen die Streitwertfestsetzung Beschwerde eingelegt. Das LG hat mit Beschluss vom 8.1.2009 der Beschwerde nicht abgeholfen und das Rechtsmittel dem OLG Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - vorgelegt. Zur Begründung hat das LG darauf hingewiesen, die Höhe des festgesetzten Streitwerts ergebe sich aus dem Gegenstandswert der beabsichtigten Zahlungsklage.

II. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Streitwertfestsetzung des LG ist unzulässig.

1. Bei der Entscheidung des LG handelt es sich um eine Streitwertfestsetzung nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes. Die Zulässigkeit einer Beschwerde richtet sich nach § 68 GKG. Eine Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer durch die Streitwertfestsetzung beschwert ist (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, § 68 GKG, Rz. 5 ff.). An einer Beschwer der Antragstellerin fehlt es vorliegend. Denn die Streitwertfestsetzung hat für die Antragstellerin keine Auswirkungen.

2. Das LG hat einen Streitwert festgesetzt, obwohl die Voraussetzungen für eine Streitwertfestsetzung nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes nicht gegeben waren. Eine Streitwertfestsetzung findet gem. § 63 GKG (vgl. den Wortlaut von § 63 Abs. 1 S. 1 GKG) nur dann statt, wenn in dem betreffenden Verfahren Gerichtsgebühren anfallen, die sich nach der Höhe des Streitwerts richten. Dies war im vorliegenden Verfahren nicht der Fall. Denn im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren fallen keine Gerichtsgebühren an (vgl. Zöller/Philippi, Zivilprozessordnung, 27. Aufl. 2009, § 127 ZPO Rz. 55).

Aus der - nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes nicht gebotenen - Streitwertfestsetzung ergeben sich jedoch keine Nachteile für die Antragstellerin. Da Gerichtsgebühren im Prozesskostenhilfeverfahren nicht anfallen, hat die (nicht erforderliche) Streitwertfestsetzung keine Auswirkungen auf eventuell von der Antragstellerin zu tragende Kosten. Daher ist eine Beschwer nicht gegeben.

3. Eine Beschwer wäre allerdings dann anzunehmen, wenn sich aus der Streitwertfestsetzung nachteilige Auswirkungen ergeben könnten auf die Gebühren, welche die Antragstellerin an ihren Rechtsanwalt zu zahlen hat. Auch insoweit ist eine Beschwer jedoch nicht ersichtlich. Denn die Antragstellerin hat zwar - vermutlich - Gebühren an den Rechtsanwalt zu zahlen, der sie im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren vertreten hat. Für die Anwaltsgebühren dürfte es - bei einer Abrechnung nach den Vorschriften des RVG - auch auf einen Gegenstandswert ankommen (vgl. Nr. 3335 RVG-VV). Auch in diesem Zusammenhang ist die Streitwertfestsetzung des LG jedoch ohne rechtliche Bedeutung.

a) Zwar bestimmt § 32 Abs. 1 RVG, dass sich die Anwaltsgebühren in einem gerichtlichen Verfahren nach dem Streitwert im Sinne der Vorschriften des Gerichtskostengesetzes richten, wenn "der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert gerichtlich festgesetzt" wird. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn es gibt keine Gerichtsgebühren, für die ein Wert maßgeblich sein könnte (s. oben). Mithin kann eine - dennoch ergehende - gerichtliche Streitwertfestsetzung auch keine Wirkungen gem. § 32 Abs. 1 RVG für die Anwaltsgebühren haben (vgl. Hartman, a.a.O., § 32 RVG Rz. 3). Sollte der Rechtsanwalt der Antragstellerin seine Gebühren gegenüber ihr abrechnen, wird der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren mithin selbständig - unabhängig von der Entscheidung des LG vom 3.12.2008 - zu bestimmen sein.

b) Die Rechtslage wäre allerdings dann anders zu beurteilen, wenn das LG eine Entscheidung nach § 33 Abs. 1 RVG getroffen hätte. Denn diese Vorschrift sieht ausdrücklich vor, dass eine gerichtliche Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren - unter bestimmten Voraussetzungen - auch dann maßgeblich sein kann, wenn die Voraussetzungen für eine Festsetzung des Streitwerts nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes nicht vorliegen. Eine solche Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG ergibt sich aus dem Beschluss des LG vom 3.12.2008 allerdings ni...

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