Verfahrensgang

LG Heidelberg (Aktenzeichen 3 O 165/18)

 

Tenor

Das von der Richterin angezeigte Verhältnis rechtfertigt ihre Ablehnung nicht.

I. Die Richterin ist die Berichterstatterin des vorliegenden Berufungsverfahrens, in welchem es um die Behauptung des Klägers geht, das von ihm erworbene Fahrzeug aus dem ... Konzern mit einem 3,0 l-Dieselmotor verfüge über eine unzulässige Abschalteinrichtung. Der Kläger begehrt von der beklagten ... im Wege des Schadensersatzes die Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs.

Mit dienstlicher Erklärung vom 18.05.2020 teilte die Richterin mit:

"Ich bin seit dem 01.05.2020 an das Oberlandesgericht Karlsruhe abgeordnet und dort dem 8. Zivilsenat zugewiesen. Für das vorliegende Verfahren ist die Sitzgruppe zuständig, der ich angehöre.

Ich teile daher mit, dass die Beklagte in den bisher beim Bundesgerichtshof anhängigen Verfahren zu Schadensersatzansprüchen wegen einer etwaigen Abschaltautomatik (u.a. VI ZR 252/19) von Herrn Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof Dr. ... vertreten wird. Mein Ehemann, Herr Rechtsanwalt Arne Quast, ist für die Kanzlei tätig und auch inhaltlich in die Bearbeitung dieser Verfahren eingebunden."

Den Parteien wurde diese dienstliche Erklärung mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis 05.06.2020 zugeleitet. Eine Ablehnung der Richterin oder sonstige Stellungnahme erfolgte nicht.

II. Die von der Richterin mitgeteilten Umstände rechtfertigen die Besorgnis ihrer Befangenheit nicht, § 42 Abs. 1 ZPO.

 

Gründe

1. Gemäß § 48 ZPO hat das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte. Eine solche Anzeige hat die Richterin gemacht.

2. Es liegt kein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen ihre Unparteilichkeit zu rechtfertigen, § 42 Abs. 2 ZPO.

a) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO, s. hierzu und zum Folgenden BGH, Beschluss vom 21. Juni 2018 - I ZB 58/17 -, Rn. 10, juris). Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt schon der "böse Schein", das heißt der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität (BVerfG, NJW 2012, 3228 [juris Rn. 13]). Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln. Dabei kommen nur objektive Gründe in Betracht, die aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit des abgelehnten Richters aufkommen lassen (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - V ZR 8/10, NJW-RR 2012, 61 Rn. 5; Beschluss vom 13. Januar 2016 - VII ZR 36/14, NJW 2016, 1022 Rn. 9; Beschluss vom 20. November 2017 - IX ZR 80/15, juris Rn. 3). Solche Zweifel können sich zum einen aus dem Verhalten des Richters innerhalb oder außerhalb des konkreten Rechtsstreits sowie aus einer besonderen Beziehung des Richters zum Gegenstand des Rechtsstreits oder zu Prozessbeteiligten ergeben. Maßgeblich sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalls (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2003 - II ZB 31/02, NJW 2004, 163 f. [juris Rn. 8]; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 210/09, NJW-RR 2011, 136 Rn. 7; MünchKomm ZPO/Stackmann aaO § 42 Rn. 6 und 14; BeckOK.ZPO/Vossler, Stand 1. März 2018, § 42 Rn. 7), die vom Gericht in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2017 - RiZ (R) 1/15, NJW-RR 2017, 1021 Rn. 8).

Inwieweit eheliche Verbindungen eines Richters insbesondere zu Prozessbeteiligten die Besorgnis der Befangenheit begründen ist danach einer schematischen Beantwortung nicht zugänglich. Der Bundesgerichtshof hat etwa die Mitwirkung der Ehefrau eines Rechtsmittelrichters bei Erlass der angefochtenen Kollegialentscheidung nicht als Ablehnungsgrund ausreichen lassen (BGH, Beschluss vom 20.10.2003 - II ZB 31/02 - NJW 2004, 163), dies aber anders gesehen, wenn der abgelehnte Richter als Mitglied eines Berufungsgerichts über die Berufung der ihn ablehnenden Partei gegen ein durch seine Ehefrau als Einzelrichter ergangenes Urteil zu entscheiden hatte (BGH, Beschluss vom 27.02.2020 - III ZB 61/19 -, NJW-RR 2020, 633). Bei Verbindungen eines Richters zu einer Kanzlei, die eine der Parteien vertritt, hat er eine hinreichende Besorgnis der Befangenheit angenommen, wenn der Ehegatte als Rechtsanwalt in der Kanzlei tätig ist, die den Gegner vor diesem Richter vertritt (BGH, Beschluss vom 15.03.2012 - V ZB 102/11 -, NJW 2012, 730). Ist die Ehegattin als Sekretärin einer solchen Rechtsanwaltskanzlei tätig, müssen Umstände hinzukommen, aufgrund welcher die Besorgnis besteht, dass der Prozessbevollmächtigte des Gegners auf die Ehefrau und diese wiederum auf den Richter unzulässig Einfluss nimmt (BGH, Beschluss vo...

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