Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorschrift des § 55 Abs. 2 InsO ist auf den Insolvenzverwalter, der vom Insolvenzgericht ermächtigt worden ist, mit rechtlicher Wirkung für den Schuldner zu handeln, nicht entspr. anwendbar (Anschluss an BGH WM 2002, 1888, [1891 f.]; Aufgabe der früheren Senatsrechtsprechung)

2. Für die Haftung des Insolvenzverwalters aus § 61 S. 1 InsO kommt es nicht darauf an, ob die Forderung des Massegläubigers am Ende des Insolvenzverfahrens aus der Masse beglichen werden kann. Sie tritt bereits dann ein, wenn eine Erfüllung bei Fälligkeit nicht möglich ist.

3. Wird eine vom vorläufigen Insolvenzverwalter eingegangene Verbindlichkeit erst durch ein Erfüllungsverlangen i.S.v. § 103 Abs. 1 InsO zu einer Masseverbindlichkeit, so ist dies der für eine Entlastung nach § 61 S. 2 InsO maßgebliche Zeitpunkt der Begründung der Masseverbindlichkeit.

 

Normenkette

InsO §§ 55, 61; ZPO § 531 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 4 O 440/01)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 28.3.2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Essen wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird die Entscheidung im Kostenpunkt dahin gehend geändert, dass die Kosten der ersten Instanz gegeneinander aufgehoben werden.

Die weiter gehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin, ein Leiharbeitsunternehmen, begehrt vom Beklagten Schadensersatz, weil dieser als vorläufiger Insolvenzverwalter der Firma … GmbH von ihr Fachkräfte zur Durchführung von Montagearbeiten angefordert und die bestellten Facharbeiter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Durchführung der Arbeiten in Anspruch genommen hat, die Rechnungen der Klägerin jedoch bislang aus der Masse nicht beglichen worden sind, nachdem der Beklagte zwischenzeitlich die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat.

Das LG hat den Zahlungsantrag der Klägerin in dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen, auf ihren entspr. Hilfsantrag aber festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr den aus der Nichtbezahlung des Auftrags vom 18.7.2000 entstehenden Schaden zu ersetzen. Dieser Anspruch folge aus § 61 S. 1 InsO. Zwar habe der Beklagte hinsichtlich der Nichtbezahlung des Auftrags aus Massemitteln noch nicht im Zeitpunkt der Bestellung schuldhaft gehandelt, wohl aber im Zeitpunkt der Entgegennahme der Leistungen der Klägerin für die Masse. Die Vorschrift des § 61 S. 2 InsO sei dahin auszulegen, dass sie „bei Begründung der Verbindlichkeit” auch den Zeitpunkt der Entgegennahme der Gegenleistung umfasse.

Gegen dieses Urteil, auf das auch wegen weiterer Einzelheiten seiner Begründung verwiesen wird, richtet sich die Berufung des Beklagten, der weiterhin Klageabweisung erstrebt. Neben der Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens vertieft und ergänzt er seinen Vortrag zum Entlastungsbeweis gem. § 61 S. 2 InsO. Insoweit macht er geltend:

Zwar sei in der Sitzung des Gläubigerausschusses vom 26.10.2000 nur noch ein Überschuss von 190.000 DM erwartet worden. Dieser habe aber aus damaliger Sicht vollständig ausgereicht, um alle Masseverbindlichkeiten auszugleichen. Er habe entgegen der Auffassung des angefochtenen Urteils mit einer weiteren Negativentwicklung nicht rechnen müssen, insb. nicht damit, dass Zahlungen der Neuschuldner ausblieben.

Eine zum 30.9.2000 erstellte Planung sei von einem Einnahmeüberschuss von 210.000 DM ausgegangen. Am 18.10.2000 sei ein Liquiditätsüberschuss von mehr als 1 Mio. DM vorhanden gewesen. In einem Status zum 25.10.2000 sei ein Forderungsüberschuss von ca. 2,3 Mio. DM ermittelt worden. Eine am 31.10.2000 erstellte Liquiditätsplanung für den Zeitraum bis März 2001 habe einen durchgehenden Liquiditätsüberschuss ausgewiesen. Auch eine Statusübersicht zum 16.1.2001 weise einen Liquiditätsstand von mehr als 300.000 DM aus. Noch in der Sitzung des Gläubigerausschusses vom 22.2.2001 sei von einem Überschuss von ca. 470.000 DM ausgegangen worden. Erst die Verweigerung weiterer Zahlungen i.H.v. 812.472,03 DM der Auftraggeberin A. 2000 auf die Schlussrechnung der Schuldnerin im Juli 2001 habe zu einer dramatischen Verschlechterung geführt. Dies sei im November und Dezember 2000 nicht vorhersehbar gewesen.

Die Klägerin verteidigt unter näherer Darlegung das angefochtene Urteil mit Ausnahme der Kostenentscheidung, die sie im Wege der Anschlussberufung angreift.

II. Die Berufung ist unbegründet. Die Anschlussberufung hat teilweise Erfolg.

1. Die Klage ist jedenfalls mit dem in zweiter Instanz alleine noch den Streitgegenstand bildenden Feststellungsantrag zulässig und begründet.

a) Das Feststellungsinteresse gem. § 256 ZPO ist zu bejahen.

Insoweit ist vom Nichtbestehen eines sofortigen Zahlungsanspruchs auszugehen, da die Abweisung des Zahlungsantrages durch das LG materielle Rechtskraft erlangt hat. Ein Vorrang der Leistungsklage kommt danach nicht mehr in Betracht...

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