Leitsatz (amtlich)

1. Ein Schadenseintritt i.S.v. § 61 S. 1 InsO liegt bereits vor, wenn der Insolvenzverwalter eine Masseverbindlichkeit im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit nicht erfüllen kann.

2. Wenn der Insolvenzverwalter die Unzulänglichkeit der Masse in diesem Zeitpunkt durch pflichtwidrige Verwendung von Massemitteln herbeigeführt hat, kann er sich nicht gem. § 61 S. 2 InsO damit entlasten, dass er im Zeitpunkt der Begründung der Masseverbindlichkeit noch nicht erkennen konnte, dass die Masse zur Erfüllung der Verbindlichkeit nicht ausreichen wird.

3. Der nach § 61 InsO zu leistende Schadensersatz umfasst auch die Mehrwertsteuer.

 

Normenkette

InsO § 61

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 15 O 475/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 06.05.2004; Aktenzeichen IX ZR 48/03)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 1.1.2002 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Klägerin wird das vorgenannte Urteil dahin abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, über den zuerkannten Betrag hinaus weitere 3.080,98 Euro, mithin insgesamt 22.337 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.10.2000 an die Klägerin zu zahlen, Zug um gegen Abtretung der in dem genannten Urteil bezeichneten Kaufpreisforderungen.

Die Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten bleibt unberührt.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in derselben Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten als Insolvenzverwalter der K.-AG wegen der Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten auf Schadensersatz in Anspruch.

Wegen des Sach- und Streitstands bis zum Schluss der ersten Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Zu ergänzen ist, dass die klagegegenständlichen Rechnungen zu den Lieferungen der Klägerin dem Beklagten jeweils ein Zahlungsziel von 14 Tagen ab Rechnungsdatum einräumten.

Das LG hat der Klage unter Abweisung des auf die Mehrwertsteuer entfallenden Betrages der klägerischen Lieferungsrechnungen in Höhe des Nettobetrages der Rechnungen stattgegeben. Nur in dieser Höhe bestehe ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten aus §§ 60, 61 InsO. Für die Feststellung des Schadenseintritts könne der Beklagte die Klägerin nicht auf den Ausgang des Insolvenzverfahrens verweisen, zumal er inzwischen Masseunzulänglichkeit angezeigt habe. Zwar reiche es grundsätzlich für die Begründung einer Haftung nach diesen Vorschriften nicht aus, dass der Verwalter nur zeitweise zur Erfüllung von Masseverbindlichkeiten nicht in der Lage sei; hier sei jedoch die ausdrückliche Zusicherung des Beklagten vor Abschluss der Lieferverträge mit der Klägerin in seinen Schreiben vom 12.10. und 2.12.1999 zu berücksichtigen, wonach die Schuldnerin auch in den nächsten Monaten in der Lage sein werde, ihren Verpflichtungen nachzukommen, und es keine Probleme bezüglich der Fortsetzung der Lieferungen und Warenkäufe geben werde.

Der Beklagte habe sich nicht gem. § 61 S. 2 InsO entlasten können. Seinem Vortrag lasse sich nicht entnehmen, dass er auch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht hätte vorhersehen können, dass die begründeten Masseverbindlichkeiten nicht – jedenfalls nicht entspr. der gegebenen Zusagen problemlos – getilgt werden konnten. Er habe nicht dargetan, wie der Leiter des Finanz- und Rechnungswesens P. und die Buchungen der von ihm selbst eingegangenen Verbindlichkeiten überwacht worden seien. Damit hänge zusammen, dass – als weitere Pflichtwidrigkeit – mit der erhaltenen Zahlung der ersten Kaufpreisrate für die Warenvorräte nicht vorrangig die neuen Masseverbindlichkeiten beglichen worden seien, sondern dieser Betrag an den Banken- und Lieferantenpool ausgekehrt worden sei.

Soweit eine weitere Ursache für den späteren Liquiditätsmangel nach Darstellung des Beklagten darin liege, dass die K.-GmbH die weiteren Kaufpreisraten wegen des Auftritts von Differenzen über die Warenbewertung und die damit verbundene Festlegung des definitiven Kaufpreises nicht zahlte, habe der Beklagte nicht konkret dargetan, dass er diese Differenzen nicht zu vertreten habe und ohne Vereinbarung von Sicherheiten auf die prompte Bezahlung der Kaufpreisraten vertrauen konnte. Angesichts seiner Zusicherung der problemlosen Abwicklung der Neubestellungen hätte er sich aber spätestens vor Abnahme der Waren vergewissern müssen, dass er diese Zusicherung auch einhalten konnte.

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin bestehe jedoch nur in Höhe des Netto-Warenwertes. Der Mehrwertsteueranteil belaste sie auf Grund ihrer eigenen Vorsteuerabzugsberechtigung nicht.

Der Beklagte erstrebt mit seiner Berufung volle Klageabweisung, die Klägerin verfolgt mit ihrem Re...

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