Leitsatz (amtlich)

1. Die Regelung in § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB knüpft allein an die Existenz einer Garantieerklärung (des Produktverkäufers oder eines Dritten) an.

2. Eine besondere werbliche Hervorhebung der Garantie ist nicht erforderlich, um den Anwendungsbereich der vorbezeichneten Regelung zu eröffnen.

 

Normenkette

BGB § 312d Abs. 1 S. 1, § 479; EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9; UWG § 3a

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Aktenzeichen 13 O 110/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21.11.2018 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Angebote für den Absatz von Taschenmessern an Verbraucher mit Hinweisen auf Garantien zu versehen, ohne hierbei auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, hinzuweisen und ohne den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben,

wie geschehen am 13.04.2018 auf der Handelsplattform "amazon" unter der ASIN B002J94KFG "X Taschenwerkzeug Offiziersmesser Tinker rot, 1.4603" durch den Hinweis: "Die X-Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik 2 Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt."

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf und an den Geschäftsführern der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten zu vollziehen ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Soweit die Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist, kann sie die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 EUR abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien vertreiben im Wege des Online-Handels u.a. Taschenmesser.

Jedenfalls im Zeitraum vom 19.03.2018 bis zum 13.04.2018 bot die Beklagte auf der Internetplattform "amazon" unter der Produktbezeichnung "X Taschenwerkzeug Offiziersmesser Tinker rot, 1.4603" ein Taschenmesser des Schweizer Herstellers "X" an (Internetausdruck Anlage HKMW 1 = Blatt 5-9 der Gerichtsakte). Die "amazon"-Angebotsseite als solche enthielt keinerlei Angaben zu einer seitens der Beklagten oder seitens eines Dritten gewährten Garantie für das angebotene Taschenmesser, sie enthielt jedoch unter der Zwischenüberschrift "Weitere technische Informationen" einen Hyperlink mit der Bezeichnung "Betriebsanleitung". Beim Ausführen ("Anklicken") dieses Links öffnete sich ein - auf einem Server des Betreibers der Internetplattform "amazon" gespeichertes - PDF-Dokument (Anlage HKMW 2 = Blatt 10-12 der Gerichtsakte), das ein aus zwei Seiten bestehendes, vom Hersteller des Taschenmessers gestaltetes und textlich formuliertes Produktinformationsblatt wiedergab. Die erste Seite dieses Produktinformationsblattes enthielt in deutscher Sprache sowie in sechs weiteren Sprachen Erläuterungen zu einem in das Taschenmesser integrierten Mehrzweck-Werkzeug (Dosenöffner, Kapselöffner, Schraubendreher, Drahtbieger und Drahtabisolierer). Die zweite Seite enthielt Hinweise auf weitere in das Messer integrierte Werkzeuge sowie zur Pflege des Taschenmessers und - wiederum in deutscher Sprache und in sechs weiteren Sprachen - einen Hinweis auf die sogenannte "X-Garantie"; dieser Hinweis lautete in deutscher Sprache: "Die X-Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik 2 Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt." Weitere Informationen zu dieser Garantie enthielt das Produktinformationsblatt nicht. Am unteren Rand der zweiten Seite des Produktinformationsblattes fanden sich die Postanschriften der in der Schweiz ansässigen "X AG" sowie der in Deutschland ansässigen "X Retail Düsseldorf GmbH".

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13.04.2018 (Anlage HKMW 3 = Blatt 13-18 der Gerichtsakte) mahnte die Klägerin die Beklagte ab. Die Beklagte mache keine ausreichenden Angaben zu der gewährten Garantie. Eine Garantieerklärung müsse einfach und verständlich abgefasst sein. Sie müsse einen Hinweis auf die gesetzlichen Gewährleistungsrechte des Verbrauchers sowie den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angabe...

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