Leitsatz (amtlich)

1. Gefahren, die sich unabhängig von der Verletzung von sich aus dem Eigentum an einem Gebäude ergebenden Verkehrssicherungspflichten verwirklichen und deshalb nur in einem zufälligen oder gelegentlichen Zusammenhang mit dem Haus- oder Grundbesitz stehen, fallen nicht unter die Haus- und Grundhaftpflichtversicherung, sondern in die Privathaftpflichtversicherung.

Verletzt ein Gebäudeeigentümer bei Abschlagen von Fliesen durch Unachtsamkeit einen Dritten, verstößt er dadurch nicht gegen solche Sorgfaltspflichten, die ihm gerade als Eigentümerin des Gebäudes treffen.

2. Im vorweggenommenen Deckungsprozess ist ausschließlich die Frage des Versicherungsschutzes zu klären; eine Entscheidung über den eigentlichen Haftpflichtanspruch ergeht nicht. Für eine Beweisaufnahme über den Grund des Anspruchs ist hier grundsätzlich kein Raum.

3. Der Streitwert eines Deckungsprozesses in der Haftpflichtversicherung bemisst sich grundsätzlich nach der Höhe des von dem geschädigten Dritten gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachten Anspruchs. Erhebt der Versicherungsnehmer in einem vorweggenommenen Deckungsprozess eine positive Feststellungsklage, ist ein Abschlag von 20 % zu machen.

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 28.03.2011; Aktenzeichen 18 O 365/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.03.2011 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin nach einem Streitwert von 14.716,00 €.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das Urteil des Landgerichts ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Die Klägerin, die von ihrem Sohn wegen eines behaupteten Unfallereignisses vom 02.02.2010 wegen Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 18.395,00 € in Anspruch genommen wird, begehrt im vorweggenommenen Deckungsprozess die Feststellung, dass die Beklagte ihr aus einem zum Unfallzeitpunkt bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrag Versicherungsschutz zu gewähren habe.

Zwischen den Parteien besteht seit dem 19.01.1984 eine allgemeine private Haftpflichtversicherung, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und die Besonderen Bedingungen, Risikobeschreibungen und Erläuterungen(BBR) der Beklagten zugrunde liegen.

Zu dem v.g. Unfall hat die Klägerin in 1. Instanz behauptet, dass sie am 02.02.2010 gegen 11 Uhr in einer leer stehenden Wohnung in dem ihr gehörenden, aber nicht selbst bewohnten Haus in der W-str. in E ihren Sohn, D W, am Auge verletzt habe. Sie habe, ohne die erforderlichen Verkehrssicherungspflichten eingehalten zu haben, mit Hammer und Meißel Fliesen von der Wand abgeschlagen, als zufällig ihr Sohn vorbei gekommen sei und ihr von hinten bei den Arbeiten zugeschaut habe. Durch umherfliegende Fliesen und Putzstücke habe ihr Sohn D W eine erhebliche penetrierende Augenverletzung einschließlich Hornhaut- und Linsenverletzung mit intraokularem Fremdkörper erlitten.

Zu der Einstandspflicht der Beklagten hat die Klägerin erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die Beklagte als Privathaftpflichtversicherer aufgrund des Unfalls Versicherungsschutz gewähren müsse. Die Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung der Klägerin, auf die sie von der Beklagten vorprozessual verwiesen worden ist, sei dagegen nicht einschlägig.

Zudem hat die Klägerin erstinstanzlich die Meinung vertreten, dass ihr Sohn D W entgegen der Annahme der Beklagten nicht in dem in Rede stehenden Haftpflichtversicherungsvertrag mitversichert sei, daer seit seinem 18. Lebensjahr - insoweit unstreitig - als eigener Versicherungsnehmer eine gesonderte Privathaftpflichtversicherung bei der Beklagten unterhalte und für diese auch selbst Beiträge zahle.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte ihr aus dem Versicherungsvertrag mit der Versicherungsscheinnummer wegen den aus dem Schadenereignis vom 02.02.2010 entstandenen Schadensersatz-/Schmerzensgeldansprüchen in Höhe von 18.395,00 € Versicherungsschutz zu gewähren habe.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass für den von der Klägerin behaupteten Schaden kein von einer Haftpflichtversicherung umfasster Versicherungsschutz bestehe. Vielmehr sei ein Risiko eines Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherungsschadens verwirklicht worden.

Darüber hinaus hat die Beklagte die Meinung vertreten, dass der Versicherungsschutz ausgeschlossen sei. Dazu hat sie behauptet, dass der angeblich geschädigte Sohn der Klägerin mitversichert sei, nachdem die Klägerin im Jahre 1991 ausdrücklich die Aufnahme ihres Sohnes in den Versicherungsvertrag gewünscht habe und sie seither für die Mitversicherung auch einen Mehrbeitrag zahle. Ohnehin seien Haftpflichtansprüche aus Schadensfällen von Angehörigen des Versicherungsnehmers, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben, ausgeschlossen.

Im Übrigen wird gemäß § 540 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Essen Bezug ge...

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