Leitsatz (amtlich)

Will der Berufsunfähigkeitsversicherer seine Leistungen nach vorangegangenem Anerkenntnis einstellen, muss er die Tatsachen beweisen, aus denen sich die Gesundheitsbesserung ergeben soll. Beweismaß ist § 286 ZPO (Vollbeweis, hier durch den Versicherer nicht geführt). Dieses Beweismaß gilt auch bei psychischen Erkrankungen (Klarstellung zu OLG Hamm, Urteil vom 21. Juni 1996 - 20 U 351/94, VersR 1997, 817 = r+s 1997, 126).

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.10.2016 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 01.07.2015 längstens bis zum 01.11.2041 eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 1.961,08 EUR im Voraus zu zahlen, die jeweils zum 01.11. eines jeden Jahres, erstmals zum 01.11.2015, um 3 % erhöht wird, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von 1.961,08 EUR seit dem 09.07.2015, von weiteren 1.961,08 EUR ab dem 01.08.2015 sowie von dem monatlichen, jährlich wie vorstehend sich erhöhenden Rentenbetrag, ab dem 1. eines jeden folgenden Fälligkeitsmonat bis Eintritt der Rechtskraft.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 2.217,45 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.07.2015.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Fortzahlung der Berufsunfähigkeitsrente für die Zeit ab dem 01.07.2015 nach der Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens durch die Beklagte geltend.

Der Kläger schloss mit der Beklagten eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, die u.a. eine monatliche Rentenzahlung von zunächst 1.200,00 EUR bei einer Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % sowie eine Beitragsbefreiung im Versicherungsfall vorsah. Die Parteien vereinbarten eine garantierte 3-prozentige jährliche Rentensteigerung jeweils zum 01. November eines Jahres. Unstreitig belief sich die monatliche Rente ab Juli 2015 auf 1.961,08 EUR. Die "Bedingungen für die XX bestpartner Berufsunfähigkeitszusatzversicherung der XX Lebensversicherung AG", Stand: 01.10.2001, (im Folgenden: BB-BUZ) sind in den Vertrag einbezogen. Vollständige Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn und solange die versicherte Person, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit einen Beruf ausübt, der einer akademischen Ausbildung entspricht, infolge ärztlich nachzuweisender Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande sein wird, ihren Beruf auszuüben (vgl. § 3 Abs. 1 lit. a, 2. Spiegelstrich BB-BUZ). Wegen der weiteren Voraussetzungen für den Eintritt der Berufsunfähigkeit wird auf § 2 Abs. 1 BB-BUZ Bezug genommen; hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Versicherungsvertrages wird auf den Versicherungsschein von 23.09.2003 (Nr. 01566794-01) und die genannten Versicherungsbedingungen verwiesen (Anlage B 1).

Der Kläger ist gelernter Diplom-Kaufmann. Er schloss seinen dualen Studiengang "Betriebswirtschaftslehre" an der Technischen Hochschule C und bei der Fa. T mit der Diplomprüfung ab.

Der Kläger war seit September 2003 bei der Firma A als kaufmännischer Leiter, Projektmanager und Controller tätig. Als Einkaufsmanager prüfte der Kläger Verträge, führte Einzelgespräche mit Kunden und tätigte SAP-Eingaben. 60 % seiner Berufstätigkeit verbrachte der Kläger am Schreibtisch. Die Teilnahme an Meetings machte lediglich 10 bis 20 % der Gesamttätigkeit aus. Seine Arbeitszeit belief sich auf ca. 40 bis 45 Stunden pro Woche. Ab März 2008 war der Kläger - wie er im Termin vor dem Senat erklärt hat: bereits wegen gesundheitlicher Probleme - als "Management Consultant" bei der Unternehmensberatung Fa. B mit einem zeitlichen Umfang von 60 bis 70 Stunden pro Woche verteilt auf 5 bis 6 Tage angestellt. Seine Tätigkeit als Unternehmensberater umfasste zu 80 % die Teilnahme an Meetings, Treffen mit Kunden und dem anschließenden Abfassen von Protokollen. Nach den Gesprächen fertigte er regelmäßig Vertragsentwürfe oder Entscheidungsvorlagen. Die Tätigkeit war mit einer erheblichen Reisetätigkeit verbunden. Bei 40 % der Meetings war eine Übernachtung in einem Hotel erforderlich. Zum 31.08.2009 wurde das Arbeitsverhältnis beendet.

In der Zeit vom 01.07.2009 bis zum 28.08.2009 erfolgte als Krisenintervention eine stationäre Unterbringung des Klägers in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums A. In der Zeit von 26...

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