Entscheidungsstichwort (Thema)

Versandhandel einer niederländischen Apotheke

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine niederländische Apotheke verstößt nicht gegen die wettbewerbsbezogenen Normen der AMPreisV, indem sie mit dem von ihr ausgeübten Versandhandel verschreibungspflichtige Arzneimittel überwiegend an in Deutschland ansässige Endverbraucher auf der Grundlage von Preisen abgibt, die durchschnittlich 15 % und in Ausnahmefällen bis zu 60 % unter den Preisen liegen, die die AMPreisV vorsieht.

2. Der Grundsatz des freien Warenverkehrs ist verletzt, wenn die Bindung der ausländischen Versandhandelsapothoken an die preisrechtlichen Regelungen in Deutschland eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung gemäß Art. 28 EG darstellt.

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 26.03.2004; Aktenzeichen 23 O 202/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 26.3.2004 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Münster wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 25.000 Euro abzuwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger betreibt die Apotheke am ... . Die Beklagte betreibt in den Niederlanden - in der Nähe der deutschen Grenze - eine Präsenzapotheke. Sie ist aber seit Juni 2000 schwerpunktmäßig als Versandhändlerin von Medikamenten über das Internet tätig. Die Beklagte erzielt 70 bis 80 % ihres Umsatzes mit Arzneimittellieferungen nach Deutschland. Dabei geht es auch um apothekenpflichtige und verschreibungspflichtige Arzneimittel i.S.d. §§ 43 ff. AMG.

Die Beklagte bietet die Arzneimittel auch in Deutschland ansässigen Bestellern zu Preisen an, die zwar dem niederländischen Preisniveau entsprechen, aber durchschnittlich um 15 % und in Einzelfällen bis zu 60 % günstiger sind als die Preise, die nach der deutschen Arzneimittelpreisverordnung als Abgabepreise für die Produkte vorgesehen sind. Sie verlangt von den gesetzlich krankenversicherten deutschen Bestellern auch nicht die im SGB V vorgesehene Zuzahlung in Form einer Eigenbeteiligung an den Kosten. Sie rechnet vielmehr zu 95 % unmittelbar mit deren Krankenkassen ab, die auf die Arzneimittelpreise zusätzlich einen Rabatt von 10 bis 15 % erhalten.

In diesem Verhalten hat der Kläger zunächst einen Verstoß gegen die deutsche Arzneimittelpreisverordnung gesehen. Er hat gemeint, es ergebe sich aus den Kollisionsnormen des internationalen Privatrechts und des öffentlichen Rechts, dass die Beklagte sich bei einer Belieferung der in Deutschland ansässigen Verbraucher an die in der deutschen Arzneimittelpreisverordnung festgesetzten Preise halten müsse. Darüber hinaus hat er weiter beanstandet, die Beklagte verstoße auch gegen die §§ 31 Abs. 3, 43b SGB V, weil sie von Versicherten in gesetzlichen Krankenkassen die dort vorgesehene Zuzahlung nicht als Eigenleistung einfordere. Er hat ferner gemeint, diese Verstöße gegen solche wertbezogenen Normen seien zugleich unlauter i.S.d. § 1 UWG.

Der Kläger hat beantragt,

1. der Beklagten zu verbieten,

a) in der Bundesrepublik Deutschland apothekenpflichtige Arzneimittel Endverbrauchern in der Bundesrepublik Deutschland zu Preisen anzubieten, die nicht dem Apothekenabgabepreis nach der deutschen Arzneimittelpreisverordnung entsprechen,

b) Arzneimittel, die in der Bundesrepublik Deutschland apothekenpflichtig sind, zu Preisen, die nicht dem Apothekenabgabepreis nach der deutschen Arzneimittelpreisverordnung entsprechen, an Endverbraucher abzugeben, die die Arzneimittel von der Bundesrepublik Deutschland aus bestellen und in der Bundesrepublik Deutschland anwenden,

und/oder

c) an Mitglieder oder sonstige Versicherte der deutschen gesetzlichen Krankenkassen, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, Arzneimittel abzugeben, die zu Lasten der deutschen gesetzlichen Krankenkassen verordnet sind, ohne die in der Bundesrepublik Deutschland gesetzlich bestimmte Zuzahlung in der gesetzlich bestimmten Art und Weise zu erheben;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft über sämtliche Handlungen gem. Ziff. 1 zu erteilen durch eine Liste aller unter Ziff. 1 fallenden Arzneimittel, die in die Bundesrepublik Deutschland verbracht worden sind, geordnet nach Kalenderwoche, Rezeptpflichtigkeit und Apothekenpflichtigkeit, der Menge, des Einstandspreises des Verkaufspreises und unter Nennung des jeweiligen Lieferanten sowie über sämtliche Werbemaßnahmen für Handlungen gem. Ziff. 1;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den gesamten Schaden zu ersetzen, der ihm aus Handlungen gem. Ziff. 1 entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, ihre Versandtätigkeit unterliege ausschließlich niederländischem Recht. Maßgebend seien insoweit die E-Commerce-Richtlinie, die Rechtswahl der Vertragsparteien, das internationale Pri...

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