Leitsatz (amtlich)

Zu der Frage, wann der Käufer an eine einmal gewählte Art der Nacherfüllung (Nachbesserung oder Nachlieferung) gebunden ist.

Der Verkäufer kann den Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung (§ 439 Abs. 3 BGB) nicht mehr erheben, wenn der Käufer den Rücktritt oder die Minderung erklärt oder Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat.

 

Normenkette

BGB §§ 434, 437, 439 Abs. 3, § 439

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 03.09.2015; Aktenzeichen 2 O 23/15)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - das am 03.09.2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.579,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.02.2015 Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Pkw L D SW 1.6 mit der Fahrgestell-Nr. U...YHM...ADL... zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 04.09.2015 mit der Annahme des vorbezeichneten Kraftfahrzeugs in Verzug befindet.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits - einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens 400 H 5/14 AG Bielefeld - werden der Klägerin zu 10 % und der Beklagten zu 90 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, die in P-T ein Autohaus u.a. für Fahrzeuge der Marke L betreibt, Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Fahrzeug mit Tageszulassung.

Aufgrund verbindlicher Bestellung vom 11.07.2013 - von der Beklagten am 12.07.2013 bestätigt - erwarb die Klägerin das Fahrzeug vom Typ L D zum Kaufpreis von 16.290 zzgl. Zulassungskosten in Höhe von 140 EUR. Der Kaufpreis wurde vollständig über ein von der Beklagten vermitteltes Darlehen bei der T2- D2 Bank finanziert, welches nicht von der Klägerin, sondern von deren Ehemann aufgenommen wurde.

Anlässlich eines Reifenwechsels im Dezember 2013 wurde die Klägerin informiert, dass an dem Fahrzeug Auspuffrohr und Tank beschädigt seien.

Im Prozess ist zwischen den Parteien nicht mehr im Streit, dass dieser Schaden bei Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin am 23.07.2013 schon vorhanden war.

Die Klägerin führte das Fahrzeug unter Hinweis auf die Beschädigung bei der Beklagten vor, wo angeboten wurde, den Schaden zu beseitigen.

Streitig ist, ob die Mitarbeiter der Beklagten dabei einräumten, dass es sich um einen anfänglich vorhandenen Schaden handelte, oder ob sie seinerzeit noch von einem nachträglich entstandenen Schaden ausgingen und die Reparatur aus Kulanz anboten.

Mit Anwaltsschreiben vom 12.12.2013 warf die Klägerin der Beklagten eine arglistige Täuschung über den Schaden vor und lehnte es ab, das Fahrzeug - wie von der Beklagten angeboten - reparieren zu lassen, weil ihr nicht zugleich eine Minderung angeboten worden sei. Sie verlangte nun sinngemäß unter Fristsetzung zum 08.01.2014 Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs. Die Beklagte ließ mit Anwaltsschreiben vom 27.12.2013 bestreiten, dass das Fahrzeug bei Auslieferung einen Mangel gehabt habe, und erklärte sich bereit, kulanzweise Auspuff und Tank kostenfrei auszutauschen.

Nach weiterem ergebnislosem Schriftwechsel leitete die Klägerin beim AG Bielefeld ein selbständiges Beweisverfahren (Az 403 H 1/14 = 400 H 5/14) ein, in dem der Sachverständige Dr.-Ing. C in seinem Gutachten vom 15.10.2014 bestätigte, dass das Schadensbild an Auspuff und Tank auf einen Transport- oder Ladeschaden hinweise, der durch nachträglich aufgebrachten Unterbodenschutz kaschiert, aber nicht fachgerecht beseitigt worden sei. Zur fachgerechten Instandsetzung sei ein Austausch von Auspuff und Tank erforderlich, dessen Kosten sich auf brutto 1.954,27 EUR beliefen, danach verbleibe kein merkantiler Minderwert.

Die Klägerin erklärte sodann mit Anwaltsschreiben vom 12.11.2014 die Anfechtung und den Rücktritt vom Kauf und setzte der Beklagten eine Erklärungsfrist zum 19.11.2014.

Mit der nachfolgend erhobenen Klage hat die Klägerin Rückzahlung von Kaufpreis und Zulassungskosten nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangt.

Sie hat der Beklagten vorgeworfen, ihr den Transportschaden beim Kauf arglistig verschwiegen zu haben.

Daneben hat die Klägerin ihr Begehren auf Gewährleistungsrecht gestützt. Das verkaufte Fahrzeug sei mangelbehaftet und die Beklagte sei ihrem Nachlieferungsverlangen nicht binnen gesetzter Frist nachgekommen.

Eine Nacherfüllung in Form einer Nachbesserung scheide aus, weil durch eine Reparatur der durch die Beschädigung verloren gegangene Charakter als Neufahrzeug nicht wiederhergestellt werden könne. Außerdem, so macht die Klägerin geltend, habe sie das Vertrauen in die Beklagte verloren, weil diese den Transportschaden zuerst verschwiegen und später bestritten habe.

Den von der Beklagten im Prozess erhobenen Einwand der Unverhältnismäßigkeit einer Nachlieferung hält die Klägerin für verspätet und in der Sache f...

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