Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Lunker im Motorblock eines Neufahrzeugs (Gussfehler bei der Herstellung), der zum Ölverlust führt und als Nachbesserung zumindest den Austausch des Motorblocks mit Kopf erfordert, ist die Nacherfüllung durch Nachlieferung eines gattungsmäßigen Ersatzfahrzeugs nach Wahl des Käufers nicht unverhältnismäßig.

2. Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit i.S.v. § 439 Abs. 3 BGB kann vom Verkäufer nur solange erhoben werden, bis der Käufer vom Vertrag zurücktritt.

3. Das Verschulden nach § 281 BGB knüpft in zeitlicher Hinsicht an das Vertretenmüssen bei Ablauf der zur Nacherfüllung gesetzten Frist an und kann sich gegenständlich - bei vom Verkäufer nicht zu vertretenden Mangel - auf die unterlassene Nachlieferung beziehen.

 

Normenkette

BGB §§ 281, 437, 439 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 17.08.2005; Aktenzeichen 10 O 19/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des LG Hannover vom 17.8.2005 teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 38.416,54 EUR Zug um Zug gegen Übergabe des Wohnmobils G. mit der Fahrgestellnummer ... sowie weitere 6.586 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.4.2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschwer: für die Beklagte über 20.000 EUR, für die Klägerin unter 20.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Wohnmobil und Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin kaufte am 7.4.2004 bei der Beklagten ein Wohnmobil auf der Basis eines F.D. Es handelte sich hierbei um eine Tageszulassung. Der Kaufpreis betrug 39.334 EUR. Die Klägerin stellte nach ungefähr 700 km Fahrstrecke einen Ölverlust fest. Das Fahrzeug wurde in Absprache mit der Beklagten einer Werkstatt vorgestellt. Dort wurde ein Fehler nicht gefunden. Im August 2004 wurde wegen erneuten Ölverlusts das Fahrzeug wiederum untersucht. Hierbei wurde festgestellt, dass das Wohnmobil einen sog. Lunker im Motorblock aufwies. Die Beklagte bot daraufhin mit Schreiben vom 13.8.2004 den Austausch und Neueinbau eines Teilemotors an. Die Klägerin wies durch Schreiben vom 16.8.2004 unter Fristsetzung darauf hin, dass eine einvernehmliche Lösung in dem Sinn, dass die Beklagte einen neuen Motor liefere, für beide Parteien zufriedenstellend sein dürfte. Hierauf reagierte die Beklagte unter dem 20.8.2004 dergestalt, dass sie den Austausch eines inkompletten Motors (Rumpfmotor mit Kopf) anbot. Mit Schreiben vom 1.9.2004 verlangte die Klägerin Nacherfüllung durch Nachlieferung eines Neufahrzeugs in einer Frist von einem Monat. Nach erfolglosem Fristablauf forderte die Klägerin mit Schreiben vom 12.10.2004 Schadensersatz statt der Leistung. Mit Schreiben vom 16.11.2004 erklärte die Klägerin den Rücktritt. Mit Schreiben vom 25.11.2004 meldeten sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten und boten den kostenlosen Einbau eines Teilemotors sowie einen Warengutschein von 500 EUR unter Hinweis auf § 439 Abs. 3 BGB an.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 39.334 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übergabe des Wohnmobils G. mit der Fahrgestellnummer ... zu zahlen sowie die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 6.586 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, es sei unverhältnismäßig, wegen eines produktionsbedingten Mangels wie eines Lunkers Nacherfüllung durch Lieferung eines Neufahrzeugs zu begehren. Im Übrigen hat sie behauptet, sie treffe kein Verschulden an dem Mangel.

Das LG hat der Klage im Wesentlichen bis auf die mit der begehrten Zug um Zug-Verurteilung verknüpfte Zinsforderung stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte gem. der §§ 437, 281 BGB nach erfolgtem Rücktritt der Klägerin Schadensersatz zu leisten habe. Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 3.8.2005 vorgetragen habe, sich am 20.8.2004 mit der Klägerin endgültig geeinigt zu haben, sei dieser Vortrag gem. § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 1.9.2005 eine angemessene Frist zur Nachlieferung gesetzt. Die Beklagte habe zu spät die Nacherfüllung unter Hinweis auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten verweigert. Für einen früheren Zeitpunkt habe die Beklagte nichts vorgetragen, jedenfalls sei en...

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