Entscheidungsstichwort (Thema)

Formularmäßige Verkürzung der Verjährungsfrist für Handelsvertreter

 

Leitsatz (amtlich)

Die vierjährige Verjährungsfrist des § 88 HGB kann formularmäßig wirksam auf ein Jahr seit Kenntniserlangung und Fälligkeit des Anspruchs abgekürzt werden, wenn billigenswerte Interessen zumindest einer Vertragspartei eine angemessene Beschränkung der Verjährungsfrist rechtfertigen und zudem für die Kenntnis des Anspruchsberechtigten verlangt wird, dass er in Anlehnung an die Regelung des § 852 Abs. 1 BGB jedenfalls so weitgehend über die anspruchsbegründenden Umstände unterrichtet ist, dass er in der Lage wäre, gestützt auf diese Kenntnis eine Feststellungsklage zu erheben.

 

Normenkette

HGB § 88

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Teilurteil vom 05.03.2002; Aktenzeichen 17 O 188/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5.3.2002 verkündete Teilurteil der VIII. Kammer für Handelssachen des LG Bielefeld teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Buchauszug über alle Geschäfte mit unter der Marke „S.” vertriebenen Herrenhemden im Gebiet gem. Anlage 1 dieses Urteils zu erteilen, die entweder

  • in der Zeit vom 1.1.1998 bis zum 30.6.2001 zwischen der Beklagten und Kunden zustande gekommen sind oder
  • zwar erst nach dem 30.6.2001 abgeschlossen wurden, aber von der Klägerin vermittelt oder eingeleitet und so vorbereitet worden sind, dass es daraufhin bis zum 30.9.2001 zum Geschäftsabschluss gekommen ist,
  • weiterhin auch über die Geschäfte, die nach dem 30.6.2001 abgeschlossen wurden, hinsichtlich derer das Angebot zum Vertragsabschluss der Beklagten aber bereits vor dem 30.6.2001 zugegangen ist.

Hiervon ausgenommen sind Geschäfte der Beklagten mit Zentralen der Warenhaus-Konzerne, Zentralen der Einkaufs-Verbände, Zentralen der Versandhäuser, Zentralen der Großhändler mit Ausnahme kleinerer Großhändler, die unter die Rubrik „G-8-Großhandel” fallen, daneben auch Geschäfte mit SB-Märkten, Personal-Shops, Discountern und branchenfremden Wiederverkäufern.

Der Buchauszug hat im Einzelnen folgende Angaben zu enthalten:

a) Auftragsdatum;

b) Auftragsnummer;

c) Warenwert lt. Auftrag,

d) Warenmenge lt. Auftrag;

e) Rechnungsdatum;

f) Rechnungsnummer;

g) Rechnungsbetrag;

h) Kunden mit genauer Anschrift;

i) Stadium der Ausführung der Geschäfte bzw. des Standes der Auftragsbearbeitung im Falle der vorgenannten, erst nach dem 30.6.2001 abgeschlossenen Geschäfte;

j) Höhe der eingegangenen Zahlungen;

k) Angabe der Annullierungen und Retouren mit Angabe der jeweilige Gründe hierfür.

Im Übrigen wird die Klage auf Erteilung eines Buchauszugs abgewiesen, die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Entscheidung über die Kosten der ersten Instanz bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Klägerin war für die Beklagte in der Zeit vom 1.10.1966 bis zum 31.12.2001 als selbstständige Handelsvertreterin in der Funktion eines Bezirksvertreters tätig. Das Vertragsverhältnis endete durch ordnungsgemäße Kündigung der Beklagten zum 31.12.2001, wobei die Beklagte die Klägerin bereits zum 30.6.2001 von ihren vertraglichen Verpflichtungen zur weiteren Mitarbeit entband.

Grundlage der Tätigkeit der Klägerin war ursprünglich ein schriftlicher Handelsvertretervertrag vom 3.8.1966. Dieser enthielt zu § 2 folgende Bestimmung:

Die vertretene Firma betraut den Handelsvertreter mit ihrer Vertretung für die nachstehend aufgeführten Artikelgruppen …

  • Herren-, Ober- und Sporthemden-Kollektion Bielefeld
  • Herren-Freizeithemden-Kollektion Sonthofen
  • Herren-Unterwäsche

    – Knabenhemden.

Neu entwickelte Artikelgruppen, die in diesem Vertrag nicht verankert sind und die die vertretene Firma erst nach Abschluss dieses Vertrages in ihr Verkaufsangebot aufnehmen wird, werden nicht automatisch in diesen Vertrag einbezogen.

Wenn der Handelsvertreter die neuentwickelten Artikelgruppen mit führen soll, ist ein schriftlicher Zusatzvertrag zu diesem Handelsvertreter-Vertrag erforderlich. …

Zu § 23 bestimmt der Handelsvertretervertrag vom 3.8.1966 i.Ü.:

Nachstehend aufgeführter Kundenkreis, der durch die vertretene Firma direkt bearbeitet wird und dessen direkte Bearbeitung zwingend notwendig ist, darf durch den Handelsvertreter nicht besucht werden. Der Handelsvertreter hat für diese Aufträge keinen Provisionsanspruch:

1. Warenhauskonzerne und deren Filialen, Kaufhof/Kaufhalle – Karstadt/Kepa – Hertie/Bilka – Horten/Merkur/DEFAKA

2. Zentralen der Einkaufsverbände

Der Vertrag vom 3.8.1966 wurde später durch einen schriftlichen Handelsvertretervertrag vom 17.4.1978 (Anl. K 1 zur Klageschrift) ersetzt, der eine Änderung des Vertretungsgebiets der Klägerin vorsah und i.Ü. in § 1 des Vertrages die von der Vertretung umfassten Artikelgruppen mit „Seidensticker-Herrenhemden” bezeichnet, auch hier verbunden mit dem Zusatz, dass „neuentwickelte Artikelgruppen, die die vertretene Firma erst nach Abschluss dieses Vertrages in i...

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