Leitsatz (amtlich)

1. Wenn wesentliche wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel stehen, ist bei Tätigwerden im Rahmen einer erteilten Bankvollmacht auch bei einem Vertrauensverhältnis innerhalb der Familie von einem Auftrag und nicht von einer bloßen Gefälligkeit auszugehen.

2. Ein nachträgliches Abrechnungsverlangen durch den Erben oder Testamentsvollstrecker kann gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der Aufraggeber selbst über einen längeren Zeitraum keine Abrechnung verlangt und der Bevollmächtigte sich darauf verlassen konnte, nicht genau abrechnen und vor allen Dingen nicht im Nachhinein Quittungen und Belege vorlegen zu müssen. Ist ein Abrechnungsverlangen wegen Unzumutbarkeit nicht mehr gerechtfertigt, kehrt sich die Beweislast für eine auftragswidrige Verwendung der Gelder um.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 280 Abs. 1, §§ 662, 667

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 4 O 362/15)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 06. Juni 2017 verkündete Urteil des Landgerichts Hagen wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus den Urteilen vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin ist Testamentsvollstreckerin über den Nachlass des am XX.XX.1915 geborenen und am XX.XX.2012 verstorbenen Erblassers H. Die Beklagten sind dessen Töchter. Sie haben zwei weitere Geschwister, nämlich ihre Brüder H2 und H1. Erben des Erblassers sind aufgrund notariellen Testaments vom 04. Juni 2006 seine neun Enkel zu gleichen Teilen. Gegenstand Rechtsstreits sind Nachlassforderungen gegen die Beklagten wegen Barentnahmen von den Bankkonten des Erblassers und wegen der Vereinnahmung von Pflegegeld sowie eine Schadensersatzforderung gegen die Beklagte zu 2) als vormalige Testamentsvollstreckerin.

Der Erblasser, der seit dem Tod seiner Ehefrau im Jahr 2005 alleine in seinem Einfamilienhaus in O lebte, erteilte der Beklagten zu 1) am 09.01.2006 umfassende Bankvollmacht. Am 18.05.2006 erlitt er einen Schlaganfall. Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus und anschließender Rehabilitation zog er zu der Beklagten zu 2) nach M, wo er von Juni 2006 bis Juni 2008 lebte. Während dieser Zeit übernahm die Beklagte zu 2) die Pflege des Erblassers. Am 29.06.2006 erteilte der Erblasser auch ihr umfassende Bankvollmacht. Ab Juli 2007 erhielt der Erblasser Pflegegeld, das unter anderem auch von Februar 2008 bis März 2010 in Höhe von insgesamt 5.264,67 EUR auf ein Konto der Beklagten zu 2) ausgezahlt wurde. Im Juli 2008 kehrte der Erblasser wieder in sein Eigenheim in O zurück. Nunmehr kümmerte sich die Beklagte zu 1) um seine Pflege.

Der Erblasser unterhielt ein Girokonto und mehrere Sparkonten bei der Vereinigten Sparkasse im N Kreis. Laufende Verpflichtungen waren im Wesentlichen durch Daueraufträge und Lastschrifteinzug geregelt. Sonstige Ausgaben tätigte der Erblasser in der Regel in bar. In der Zeit vor seinem Schlaganfall hob der Erblasser hierfür durchschnittlich bis zu 1.800,- EUR im Monat von seinen Konten ab, hierbei öfter auch Beträge in einer Größenordnung von 1.000,- EUR mit einer Abhebung.

In der Zeit nach dem Schlaganfall des Erblassers nahm die Beklagte zu 1) in erheblichem Umfang Barabhebungen von den Konten des Erblassers vor. Insgesamt quittierte sie zwischen dem 27.03.2006 und dem 09.05.2011 Barabhebungen am Bankschalter in O in Höhe von 35.602,- EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die Übersicht in der Klageschrift, Bl. 6 der Gerichtsakten, und auf das Anlagenkonvolut K 5, Bl. 22 bis Bl. 56 der Gerichtsakten, Bezug genommen. Hierbei ragen folgende größere Beträge heraus: je 5.000,- EUR am 07.06 und 26.06.2006, 3.000,- EUR am 29.01.2007 und 10.000,- EUR am 29.02.2008.

Die Beklagte zu 2) quittierte in zwei Fällen am Bankschalter in O Barabholungen vom Konto des Erblassers, nämlich in Höhe von 500,- EUR am 18.01.2007 und in Höhe von 900,- EUR am 09.11.2007. Darüber hinaus kam es während des Aufenthaltes des Erblassers bei der Beklagten zu 2) zu Barabholungen vom Konto des Erblassers an einem Geldautomaten in X in Höhe von insgesamt 9.450,- EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die Übersicht in der Klageschrift, Bl. 8 f. der Gerichtsakte, Bezug genommen. Inwieweit diese Abhebungen durch die Beklagte zu 2) oder durch den Erblasser selbst mit Unterstützung der Beklagten zu 2) vorgenommen worden sind, ist zwischen den Parteien streitig.

Am 09.07.2008 lösten beide Beklagte gemeinsam das Sparbuch mit der Endnummer 764 auf und nahmen das Guthaben in Höhe von 10.033,63 EUR am Bankschalter in O in Empfang (Beleg Bl. 58 der Gerichtsakten).

Ab dem Jahr 2011 unterzeichnete der Erblasser wieder selbst die Auszahlungsbelege für Abhebungen am Schalter seiner Bank (Abhebungen v...

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