Leitsatz (amtlich)

1. Eine fahrlässige Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB neben der Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO.

2. Ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO besteht zum Zwecke der Verjährungshemmung nicht, wenn ein hinreichendes titelersetzendes Anerkenntnis vorliegt; dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn von dem Anerkenntnis nicht der gesamte Zeitraum seit dem Schadensereignis abgedeckt ist.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Aktenzeichen 4 O 466/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28.10.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Arnsberg - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jedweden materiellen, soweit nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen oder übergehend, sowie auch immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr aus dem Verkehrsunfall vom 13.10.2019 entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, der Klägerin entstandene vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.029,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 18.12.2019 zu erstatten, und zwar durch Zahlung auf das Konto der A-GmbH bei der B AG AG - IBAN DE00.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das gleiche gilt für das angefochtene Urteil soweit die Berufung zurückgewiesen worden ist.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg und ist im Übrigen unbegründet. Die Feststellungsklage ist überwiegend zulässig und, soweit sie zulässig ist, begründet.

1. Die Feststellungsklage ist unzulässig, soweit die Klägerin auch begehrt festzustellen, dass die Beklagte zu 1) aus einem bestimmten Rechtsgrund, nämlich aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 ff. BGB - fahrlässiger Körperverletzung - haftet. Im Übrigen ist die Feststellungsklage zulässig.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

a. Ein Streit über ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis liegt nur zum Teil vor.

aa. Unter einem Rechtsverhältnis ist die Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache zu verstehen, die ein mit materieller Rechtskraftwirkung feststellbares subjektives Recht enthält oder aus der solche Rechte entspringen können (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 256 ZPO, Rn. 3). Das Rechtsverhältnis muss hinreichend konkret bezeichnet sein, so dass über seine Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft keinerlei Ungewissheit bestehen kann (vgl. OLG München Urt. v. 26.2.2015 - 23 U 2301/14, Rn. 51, beck-online).

Zu einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis können auch einzelne sich hieraus ergebende Rechte und Pflichten gehören, nicht aber bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, reine Tatsachen oder etwa die Wirksamkeit von Willenserklärungen beziehungsweise Rechtshandlungen oder die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens (vgl. OLG Hamm Urt. v. 20.7.2017 - 28 U 182/16, Rn. 32, beck-online; BGH Urt. v. 20.2.2008 - VIII ZR 139/07, Rn. 9, beck-online).

bb. Die Klage hat insoweit ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum Gegenstand, als die Klägerin generell die Schadensersatzpflicht der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfallereignis vom 13.10.2019 für sämtliche materiellen (soweit diese nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind oder übergehen) und immateriellen Schäden geltend macht. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin sind gegeben. Die Beklagte zu 1) hat als Fahrerin nach §§ 18 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 StVG sowie § 823 Abs. 1 BGB, der Beklagte zu 2) als Halter gemäß § 7 Abs. 1 StVG und der Beklagte zu 3) als Kfz-Haftpflichtversicherung nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG für den Schaden einzustehen, der der Klägerin wegen des Unfalls vom 13.10.2019 entstanden ist. Es ist unstreitig, dass der Verkehrsunfall durch einen Fahrfehler der Beklagten zu 1) verursacht worden ist und die Beklagten allein für die Unfallfolgen haften. Mit der Nennung des Datums des Verkehrsunfalls ist das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis hinreichend konkret bezeichnet.

cc. Hingegen ist im Hinblick auf die begehrte Feststellung des Rechtsgrunds des Schadensersatzanspruchs sowie der Verschuldensform "Fahrlässigkeit" kein fes...

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