Leitsatz (amtlich)

1. Zur Kreditgefährdung gem. § 824 BGB des Vermieters von Räumlichkeiten, in denen ein Pflegeheim betrieben wird, wenn der Mieter dieser Räumlichkeiten im Rahmen der außerordentlichen Kündigung der Heimverträge mit den Bewohnern des Pflegeheims die Gründe für seine außerordentliche Kündigung des Mietvertrages mit dem Vermieter mitteilt.

2. Die Widerlegung der tatsächlichen Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr ist ausnahmsweise möglich, wenn der Eingriff durch eine einmalige, nicht wiederholbare Sondersituation veranlasst worden ist (vgl. BGH, NJOZ 2018, 134).

3. Eine Urteilsverfügung ist wirksam nach § 929 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 936 ZPO vollzogen, wenn dem Beklagten durch den Kläger innerhalb der Vollziehungsfrist eine einfache Abschrift des Urteils im Parteibetrieb von Anwalt zu Anwalt gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden ist, nachdem dem Beklagten schon zu diesem Zeitpunkt die von Amts wegen zugestellte Ausfertigung des Urteils vorlag.

 

Normenkette

BGB §§ 823-824, 1004; WBVG § 12; ZPO § 929 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Aktenzeichen 2 O 305/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 17.10.2018 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum abgeändert.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz trägt die Verfügungsklägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

 

Gründe

I. Erstinstanzlich hat die Verfügungsklägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Die Verfügungsbeklagte sollte die Äußerung unterlassen, dass die Verfügungsklägerin für das Funktionieren der Brandmeldeanlage in dem Alten- und Pflegeheim in C2, O-Straße ... und X-Straße verantwortlich und ihrer Pflicht zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Brandmeldeanlage nicht nachgekommen sei (Antrag zu 1). Ferner sollte sie darüber Auskunft erteilen, wann, wem gegenüber und bei welcher Gelegenheit die Antragsgegnerin die vorstehende Äußerung getätigt hat (Antrag zu 2).

Die Verfügungsklägerin ist die Eigentümerin der Grundstücke O-Straße ... und X-Straße ... in C2, auf denen ein Alten- und Pflegeheimkomplex (im Folgenden Pflegeheim) steht. Dieses Pflegeheim vermietete der Ehemann der Verfügungsklägerin (Herr C) mit Mietvertrag vom 15.03.1993 an das D mbH. Die Rechtsnachfolge sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite ist nicht im Einzelnen dargelegt. Vorprozessual war zwischen den Parteien aber unterstreitig, dass dieser Mietvertrag vom 15.03.1993 (Anlage K 1) für die Rechtsbeziehung der Parteien maßgeblich war und ist. Dennoch hat die Verfügungsbeklagte bestritten, dass das Mietverhältnis vom 15.03.1993 auch im Rechtsverhältnis zwischen der Verfügungsklägerin und dem Verfügungsbeklagten galt und gilt. Die Rechtsnachfolge sei nicht hinreichend dargelegt.

In dem Pflegeheim war ursprünglich eine Brandmeldeanlage installiert. Die Verfügungsbeklagte hat durch Unterlagen belegt, dass sie eine Fachfirma mit der Wartung der Anlage beauftragt hatte. Ferner hat die Verfügungsbeklagte unwidersprochen durch Unterlagen belegt, dass die Brandmeldeanlage zumindest teilweise mangelhaft war. Streitig ist zwischen den Parteien gewesen, ob die installierte Brandschutzanlage ausgetauscht werden musste und wer für den Austausch verantwortlich war. Die Verfügungsklägerin hat im März 2018 - ohne Einzelheiten der Verfügungsbeklagten mitzuteilen - Werkleistungen im Bereich der Brandschutzanlage in Auftrag gegeben.

Mit Schreiben vom 22.08.2018 (Anlage K 3, Bl. 41 ff. GA) kündigte die Verfügungsbeklagte gegenüber der Verfügungsklägerin den "Mietvertrag 15.05.1992/15.03.1993 etc." außerordentlich aus wichtigem Grund. Das Vertragsverhältnis sei zerrüttet. Ferner seien ohne zulässige Vorrichtung für den Brandschutz Leib und Leben der Bewohner gefährdet. Wegen der Einzelheiten des Schreibens, insbesondere in Bezug auf die Begründung der außerordentlichen Kündigung, wird auf das Schreiben Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 06.09.2018 (Anlage K 6, Bl. 48 f. GA) wurde namens und in Vollmacht der Verfügungsbeklagten einem Bewohner des Pflegeheims, Herrn Q, die "außerordentliche Kündigung" seines Vertrags erklärt. Die Betriebstätigkeit werde vor Ort eingestellt. Ferner hat die Verfügungsbeklagte ausgeführt:

"Wir haben den Generalmietvertrag über die gewerbliche Gebäudenutzung an Ort und Stelle gegenüber der Vermieterin wegen aufgetretener erheblicher Störungen im dortigen Vertragsverhältnis und schwerwiegender Mängel, auch solcher mit erheblicher Relevanz für die Sicherheit an Ort und Stelle mit Schreiben vom 22.08.2018 außerordentlich gekündigt.

Der Kündigungsausspruch ist gerade auch auf die Verkehrsunsicherheit der Mietsache selbst gestützt. Dies vor allem mit Rücksicht auf die seit Monaten brachliegenden / inhaltlich durch die Grundstückseigentümerin nie näher dargelegten oder beauskunfteten Leistungen im Bereich der Brandmeldeanlage, deren betriebsfertige Herstellung uns zu keinem Zeitpunkt gemeldet, i...

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