Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine einstweilige Verfügung von Anwalt zu Anwalt über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) vollzogen, ist es ausreichend, wenn das Verfügungsurteil zusammen mit den verbundenen Signaturdateien zugestellt wird; eine weitere Beglaubigung ist nicht erforderlich.

2. Das Unternehmerpersönlichkeitsrecht ist auch betroffen, wenn andere Marktteilnehmer durch unrichtige Tatsachenbehauptungen oder Werturteile, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, von Geschäften mit einem Unternehmen abgehalten werden sollen.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen EV 08 O 595/23)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 06.04.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Leipzig, Az.: EV 08 O 595/23, abgeändert.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

II. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Von einer Sachverhaltsdarstellung wird nach § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

B. Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig und begründet. Ob die einstweilige Verfügung bereits wegen eines Vollziehungsmangels aufzuheben ist, wie die Berufung meint, kann im Ergebnis offenbleiben, denn die Verfügungsklägerin hat das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs gegen die Verfügungsbeklagten nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

1. a) Aus dem angefochtenen Urteil kann gemäß §§ 936, 929 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht mehr vollstreckt werden, wenn die Verfügungsklägerin die Vollziehungsfrist versäumt hat. Handelt es sich bei der einstweiligen Verfügung - wie im vorliegenden Falle - um eine Urteilsverfügung, beginnt die Vollziehungsfrist mit der Verkündung des Urteils; diese ist hier am 06.04.2023 erfolgt und endete am Montag, dem 08.05.2023 (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 929 Rn. 5 und 12 mwN).

b) Für die Vollziehung einer auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügung reicht es nach der Rechtsprechung auch des Senats aus, wenn der Verfügungsgläubiger diese dem Verfügungsschuldner innerhalb der Monatsfrist im Parteibetrieb (§§ 936, 922 Abs. 2 ZPO) zustellt und damit von der einstweiligen Verfügung Gebrauch macht (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.1989 - IX ZR 148/88 -, juris, Rn. 26 ff., OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.11.2020 - 20 U 208/20, Rn. 19, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 25.07.2018 - 3 U 51/18 - juris; Senat, Urteil vom 7.02.2017 - 4 U 1422/16 - Rn. 3, juris). Die Amtszustellung des Urteils ist, weil sie nicht vom Willen des Verfügungsgläubigers abhängt, demgegenüber nicht ausreichend, um seinen Vollziehungswillen deutlich zu machen, worauf die Berufung zutreffend hinweist (BGH, Urteil vom 22.10.1992 - IX ZR 36/92, Rn. 20, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 4.05.2023 - 16 U 263/22 -, Rn. 34, juris). Sind - wie hier - beide Parteien anwaltlich vertreten, kann die Zustellung im Parteibetrieb von Anwalt zu Anwalt erfolgen (§ 195 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 172 ZPO) und ist - wie durch § 195 Abs. 2 Satz 2 ZPO klargestellt wird - auch gegen elektronisches Empfangsbekenntnis möglich. Zur Zustellung zum Zwecke der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung von Anwalt zu Anwalt eignet sich gem. § 191 ZPO jede in § 169 ZPO vorgesehene Form. Ein Verfügungsurteil kann daher auch in beglaubigter elektronischer Abschrift (§ 169 Abs. 4 ZPO) oder als elektronisches Dokument, das bereits nach § 130b ZPO durch den erkennenden Richter qualifiziert elektronisch signiert ist (§ 169 Abs. 5 Nr. 1 ZPO) für die Vollziehungs-Zustellung verwendet werden. Für die elektronische Zustellung eines nach § 130b ZPO errichteten Dokuments als "elektronisches Original" oder "bitgleiche Kopie des Originals" gem. § 169 Abs. 5 ZPO ist keine weitere Beglaubigung erforderlich, denn die Authentizität und Integrität des Dokuments ist bereits durch die vorhandene elektronische Signatur gewahrt (so Gestzesbegr., vgl. BT-Drucks. 17/13948, S. 34; BGH, Urteil vom 21.02. 2019 - III ZR 115/18 -, Rn. 11, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 25.07.2018 - 3 U 51/18 -, juris; vgl. hierzu insbes. Müller, Die elektronische Vollziehung einstweiliger (Unterlassungs-)Verfügungen, ervjustiz.de vom 05.12.2020 m.w.N. in H. Müller, eJustice-Praxishandbuch, 7. Auflage 2022; derselb. Die elektronische Vollziehung einstweiliger Beschluss- und Urteilsverfügungen im Parteibetrieb, RDi 2021, 78 mwN; Weidert/von Werder, WRP 2021, 1266, Seite 1269; Biallaß in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 2. Aufl., § 6 ERVV (Stand: 15.09.2022), Rn. 41). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die mit dem Dokument verbundenen Signaturdateien mit zugestellt werden (vgl. Müller, a.a.O.; Weidert/von Werder a.a.O.).

Ob die Verfügungsklägerin die einstweilige Verfügung nach diesen Grundsätzen wirksam vollzogen hat, kann nicht abschließend festgestellt werden. Bei dem den Prozessbevollmächtigten (PV) der Verfügungsklägerin am 11.04.2023 durch das Landgericht übermittelten Verfügungsu...

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