Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsunfähigkeits-(zusatz-)versicherung: Verweisung auf den Beruf des Pförtners

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verweist der Berufsunfähigkeits-Versicherer den Versicherungsnehmer auf eine Tätigkeit als "Pförtner", so kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Tätigkeit im Wesentlichen lediglich daraus besteht, präsent zu sein und eine Schranke zu öffnen. Jedenfalls wird für eine solche ganz einfache Tätigkeit eine Stelle auf dem freien Arbeitsmarkt nicht vorhanden sein.

2. Ob Stellen als "Pförtner mit weiteren Aufgabenbereichen" auf dem freien Arbeitsmarkt vorhanden sind oder es sich auch dabei um eine "Nischentätigkeit" handelt, auf welche der Versicherer nicht wirksam verweisen kann, bleibt offen.

3. Bei einem bisherigen monatlichen Bruttoeinkommen von 2.496 EUR ist eine Verweisung auf eine Tätigkeit mit einem um 28 % niedrigeren Einkommen nicht zumutbar; diese entspricht nicht der bisherigen Lebensstellung (§ 2 Abs. 1 BB-BUZ).

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 14.11.2006; Aktenzeichen 15 O 169/04)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.11.2006 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der inzwischen fast 43-jährige Kläger unterhält bei der Beklagten unter dem Nachtragsversicherungsschein Nr. 1-23.790.381-4 vom 10.3.1993 und dem Versicherungsschein Nr. 1-27.154.883-7 vom 9.6.1993 eine Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung und Beitragsbefreiung sowie eine Leibrentenversicherung und eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit monatlicher Berufsunfähigkeitsrente, wenn versichert, und Beitragsbefreiung (vgl. zu den Einzelheiten der Versicherungen die entsprechenden Versicherungsscheine bzw. Nachtragsversicherungsscheine Bl. 6-19).

Mit Antrag vom 10.10.2002 beantragte der Kläger Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit der Begründung, er sei seit September 2002 in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Isolierhelfer wegen einer Parkinson-Erkrankung zu 100 % berufsunfähig.

In einem Bericht an die Beklagte vom 19.12.2002 bescheinigten die Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie Dres. C dem Kläger eine 100%ige Berufsunfähigkeit in seinem zuletzt ausgeübten Beruf (vgl. Bl. 20-24).

Die Beklagte unterbreitete dem Kläger unter dem 16.6.2003 ein Regulierungsangebot, wonach sie aus Kulanz eine Rentenleistung für die Zeit vom 1.10.2002 bis 30.9.2003 erbringen wollte. Ein neuer Leistungsantrag sollte frühestens ab dem 1.10.2003 möglich sein (vgl. Bl. 25 f.).

Nachdem der Kläger das Regulierungsangebot der Beklagten abgelehnt hatte, beauftragte diese den Facharzt Dr. B in ... mit der Erstattung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens. Dies wurde unter dem 21.11.2003 erstellt (Bl. 64-77) und kam unter Einbeziehung des testpsychologischen Gutachtens der Dipl.-Psych. M vom 19.11.2003 (Bl. 78-83) zu dem Ergebnis, dass der Kläger infolge des Morbus Parkinson mit Tremor im Bereich des rechten Armes und des rechten Beines, mit Zahnradphänomen im Bereich beider Arme und Störung der Feinmotorik im Bereich der rechten Hand zu 80 % in seinem Beruf als Isolierer berufsunfähig sei. Er könne in seinem jetzigen Beruf jedenfalls nicht mehr auf Leitern und Gerüsten arbeiten. Allerdings könne er eine Alternativtätigkeit, wie beispielsweise eine Tätigkeit als Pförtner oder als Telefonist, ab sofort ausüben.

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 1.12.2003 (Bl. 84) eine Leistungspflicht ab. Der Kläger müsse sich, da es sich bei dem ausgeübten Beruf als Isolierhelfer um eine ungelernte Tätigkeit handele, auf alle Berufe, die ohne Berufsausbildung nach kurzer Einarbeitung bzw. Einweisung ausgeübt werden könnten, verweisen lassen. So verwies die Beklagte den Kläger konkret auf die Berufe des Pförtners/Mitarbeiters im Empfangdienst, des Telefonisten und des Mitarbeiters im Call-Center.

Der Kläger hat behauptet, dass die Progrediens seiner Parkinson-Erkrankung mit einer ständigen Erhöhung der Medikation einhergehe und das Erreichen einer möglichst gleichbleibenden klinischen Symptomatik bzw. eines möglichst geringen Fortschreitens der Krankheit nur durch eine immer wieder vorzunehmende Erhöhung der Medikation erreicht werden könne. Die damit verbundenen Nebenwirkungen, wie starke unvermittelt eintretende Müdigkeit, hinderten ihn, den Beruf eines Pförtners, auch ohne Nachtschicht auszuüben. Zudem entspreche die Tätigkeit eines Pförtners ohne Nachtschicht schon allein wegen des zu erzielenden Einkommens nicht annähernd seiner bisherigen durch den Beruf des Isolierarbeiters geprägten Lebensstellung. Das bei einem Pförtner ohne Einsatzmöglichkeit im Nachtdienst zu erzielende Einkomm...

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