Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugewinnausgleich: Wertermittlung einer Zahnarztpraxis. Berücksichtigung eines durch einen Wohnungsverkauf erlangten wirtschaftlichen Vorteils im Anfangsvermögen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Berücksichtigung des um subjektive Komponenten bereinigten, zutreffend ermittelten good will im Endvermögen eines Praxisinhabers läuft nicht darauf hinaus, dass künftig zu erzielende Gewinne kapitalisiert und güterrechtlich ausgeglichen werden.

2. Zur Berechnung des immateriellen Wertes ist eine „modifizierte” Ertragswertmethode in bewußter Abweichung von der Methode der Bundesärztekammer, von der diese im Oktober 2008 selbst abgerückt ist, geeignet.

3. Bei der Praxisbewertung ist auch die latente Steuerlast bei einer unterstellten Veräußerung zu berücksichtigen. Da es um latente, nicht konkret angefallene Steuern geht, ist der Steuersatz nach der Fünftelregelung maßgeblich, obwohl diese die Aufgabe jeder Tätigkeit voraussetzt.

4. Ein bei dem Kauf einer Wohnung unentgeltlich zuteil gewordener wirtschaftlicher Vorteil kann als gemischte Schenkung anzusehen und dem Anfangsvermögen zuzurechnen sein.

 

Normenkette

BGB §§ 1372, 1374 Abs. 2, § 1376 Abs. 1; EStG § 34 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Halle (Westfalen) (Urteil vom 03.05.2007; Aktenzeichen 5a F 175/99)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 09.02.2011; Aktenzeichen XII ZR 40/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 3.5.2007 verkündete Urteil des AG - Familiengericht - Halle abgeändert.

Der Antragsgegner wird verurteilt, an die Antragstellerin 48.020,78 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3.9.2003 zu zahlen. Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits - Folgesache Zugewinnausgleich - werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Antragsteller wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 70.000 EUR abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision zum BGH wird zugelassen.

 

Gründe

Die Parteien sind seit dem 2.9.2003 rechtskräftig voneinander geschieden. In dieser aus dem Scheidungsverfahren abgetrennten Folgesache streiten sie um den Zugewinnausgleich. Sie hatten am 18.12.1987 geheiratet. Seit April 1998 hatten sie getrennt gelebt. Der Scheidungsantrag war der Antragsgegnerin am 13.4.1999 zugestellt worden.

Der Antragsteller ist Zahnarzt und betreibt mit einem Kollegen eine Gemeinschaftspraxis. Die Antragsgegnerin, die den Beruf einer Bankfachwirtin erlernt hatte, war während der Ehezeit seit der Geburt des ältesten Sohnes Q am 5.4.1990 keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen und hatte sich der Betreuung der beiden gemeinsamen Kinder gewidmet; der jüngere Sohn C war am 26.6.1992 geboren worden.

Das AG hat mit dem angefochtenen Urteil, nachdem es zum Wert des Anteils des Antragstellers an der Zahnarztpraxis zunächst ein schriftliches Gutachten des Diplom-Kaufmanns C eingeholt hatte (Beweisbeschluss vom 17.8.2005 Bl. 230 SH II ZA; Gutachten vom 12.7.2006 blau eingebunden lose in der Akte), den Antrag der Antragsgegnerin, mit dem sie einen Zugewinnausgleich i.H.v. 258.164,31 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2.9.2003 beansprucht hatte, abgewiesen.

Es ist in seinen Entscheidungsgründen zu einem aktiven Endvermögen des Antragsgegners von 1.773.966,91 DM gelangt, dem zu berücksichtigende Verbindlichkeiten i.H.v. 1.643.109,15 DM gegenübergestanden hätten, so dass sich ein Endvermögen des Antragstellers von 130.857,76 DM ergab. Das entspreche gleichzeitig seinem Zugewinn, weil kein Anfangsvermögen zu berücksichtigen sei. Dieser Zugewinn übersteige denjenigen der Antragsgegnerin nicht, den das AG mit 169.248,16 DM ermittelt hat als die Differenz zwischen einem beim Eheende feststellbaren Aktivvermögen vom 699.716,92 DM und dem gegenüberstehenden Verbindlichkeiten vom 530.468,76 DM und einem gleichfalls nicht vorhandenen Anfangsvermögen.

Dabei hat es im Einzelnen mit folgenden Positionen und Beträgen gerechnet:

A. Endvermögen Antragsteller

I. positives Vermögen

1. hälftiges Hausgrundstück L

675.000 DM

2. hälftiger Wert Zahnarztpraxis

0,00 DM

3. Anwartsch. Versorgungswerk

224.629 DM

4. O LV Vertrags-Nr. ... 977

8.159,07 DM

5. W LV Vertrags-Nr. ... 840

210.129,52 DM

6. W2 LV Vertrags-Nr. ... 026-4

23.262,40 DM

7. Schiffsbeteiligung

110.000 DM

8. W2 Fond 1

15.369 DM

9. W3 ... 102

2.008,42 DM

10. W3 ... 180

79,16 DM

11. Wohnung C2

230.000 DM

12. Bargeld

172,34 DM

13. Pkw Audi 90

2.500 DM

14. Ford. gg. Dr. Q

210.000 DM

15. Ford. Steuererstattg. 1998

43.387 DM

16. Ford. Steuererstattg. 1997

471 DM

17. C

18.800 DM

Zwischensumme Aktiva Ende Ehezeit

1.773.966,91 DM

II. negatives Vermögen

18. W3 Kto-Nr. ... 100

9.243,04 DM

19. W3 Kto-Nr. ... 101

137.568,77 DM

20. W3 Kto-Nr. ... 103

11.351,16 DM

21. W3 Kto-Nr. ... 130

215.612,86 DM

22. Steuernachzahlung

249.372,35 DM

23. W3 Kto.-Nr. ... 1...

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