Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbstbehalt des Schuldners im offenen Strafvollzug

 

Leitsatz (amtlich)

Der Selbstbehalt eines eine Freiheitsstrafe verbüßenden Unterhaltspflichtigen, der im offenen Vollzug erwerbstätig ist, beträgt in der Regel 280 Euro. Dieser Betrag ist um den vom Strafgefangenen zu tragenden Haftkostenanteil (hier: 46,75 Euro) zu erhöhen.

 

Verfahrensgang

AG Ahlen (Urteil vom 29.04.2003; Aktenzeichen 13 F 91/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29.4.2003 verkündete Urteil des AG Ahlen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Urteil des AG Ahlen vom 28.5.2002 – 13 F 7/00 wird dahin gehend abgeändert, dass der Kläger für die Beklagte Kindesunterhalt i.H.v. 17 Euro für März 2003, 11 Euro für April 2003 und monatlich 135 Euro für die Monate Juni–Dezember 2003 zu zahlen hat, während für die Zeit vom 1.1.2001–28.2.2003, 1.5.–31.5.2003 sowie vom 1.1.–2.5.2004 kein Unterhalt geschuldet wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, die Berufung des Klägers sowie die weiter gehende Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 58 % der Kläger und zu 42 % die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Kläger ist der leibliche Vater der am 17.10.1996 geborenen Beklagten, die Vaterschaft wurde nach erster Aufforderung zur Vaterschaftsanerkennung im Juli 1999 durch Urteil des AG Ahlen vom 24.4.2002 – 13 F 7/00) festgestellt. Zugleich wurde der Kläger im vereinfachten Verfahren nach § 653 ZPO verurteilt, an die Mutter der Klägerin für die Zeit ab Geburt der Beklagten Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe zu zahlen.

Aus erster Ehe hat der Kläger einen am 14.4.1986 geborenen Sohn, der zurzeit noch das Gymnasium besucht und bei seiner Mutter lebt, daneben ist er Vater eines weiteren, am 27.6.2000 geborenen Sohnes.

Der Kläger ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann. Er befand sich in der Zeit von Februar bis August 1996 in Untersuchungshaft. Anschließend will er nach eigenen Angaben als „Kaufmann auf Provisionsbasis” gearbeitet haben. Seit Januar 2001 verbüßt der Kläger eine Freiheitsstrafe, zunächst im geschlossenen Vollzug in der JVA Schwerte, inzwischen nach Verlegung in die JVA Castrop-Rauxel im offenen Vollzug. Voraussichtliches Haftende ist nach seine Angaben der 2. oder 3.5.2004.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Abänderung des genannten Urteils dahin, dass er nicht zur Unterhaltszahlung an die Beklagte verpflichtet ist. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, dass er seit seiner Inhaftierung ohne Einkommen und daher nicht leistungsfähig sei. Entsprechendes gelte auch für die Zeit zwischen Geburt der Beklagten und seinem Haftantritt.

Die Beklagte hat die fehlende Leistungsfähigkeit des Klägers bestritten und behauptet, der Kläger habe aus während der Haft ausgeübter Erwerbstätigkeit auf einem Sammelkonto Einkünfte angespart, wie laufende Pfändungen wegen angefallener Kosten anderer Verfahren belegten.

Das AG hat der Klage durch das angefochtene Urteil teilweise stattgegeben und das Urteil des AG Ahlen vom 28.5.2002 dahin abgeändert, dass der Kläger ab Januar 2001 „für die Dauer seiner Straftat” keinen Kindesunterhalt schuldet. Es ist insoweit dem Vortrag des Klägers folgend von fehlender Leistungsfähigkeit ausgegangen und hat hierzu ausgeführt, auch das während der Haft durch Erwerbstätigkeit des Klägers verdiente Arbeitsentgelt sei nicht für den Kindesunterhalt einzusetzen, da es als sog. Überbrückungsgeld angespart werde und der Unterhaltssicherung des Kläger während der ersten Wochen nach Haftentlassung diene, im Übrigen aber auch als Hausgeld nebst Eigengeld auszuzahlen sei. Auf die Aufnahme eines Kredits zur Zwischenfinanzierung des Kindesunterhalt müsse sich der Kläger gleichfalls nicht verweisen lassen. Allein für die Zeit vor Januar 2001 habe der Kläger seine fehlende Leistungsfähigkeit nicht schlüssig dargetan.

Gegen dieses Urteil wenden sich Kläger wie Beklagte mit ihrer jeweiligen Berufung.

Die Beklagte begehrt weiterhin die vollständige Klageabweisung. Sie trägt hierzu ergänzend vor, dass wegen erbrachter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz eine Rückabtretung erfolgt sei und beanstandet im Übrigen, dass der für seine fehlende Leistungsfähigkeit darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht dargelegt habe, wie hoch seine – unstreitig erzielten – Einkünfte aus während der Haft ausgeübter Erwerbstätigkeit sind. Sie verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass nach eigenem Vortrag des Klägers seit März 2003 eine Teilpfändung seines Einkommens im Umfang des über den unpfändbaren Überbrückungsgeldbetrag von 2.800 Euro hinausgehenden Betrages erfolge und der Kläger i.Ü. nach Wechsel in den offenen Vollzug seiner gesteigerten Unterhaltsverpflichtung durch Aufnahme einer anderweitigen (externen) Erwerbstätigkeit nachkommen könne.

Die Beklagte beantragt

1. unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen;

2. die Berufung des Klägers zurückzu...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge