Leitsatz (amtlich)

Den Aussagen von Personen, die wie hier der Notar, der einen Erbverzichtsvertrag beurkundet hat, zur Zeit der Vornahme des in Rede stehenden Rechtsgeschäfts mit der betroffenen Person in bloßem sozialem Kontakt standen, ist mangels fachlicher Qualifikation zur Beurteilung der medizinischen Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB grundsätzlich kein besonderer Beweiswert zuzumessen.

 

Normenkette

BGB § 104 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Detmold (Aktenzeichen 4 O 211/18)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 26.11.2019 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Detmold wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach diesem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Halbgeschwister. Der Kläger macht nach dem am 00.00.1923 geborenen und am 00.00.2017 verstorbenen Erblasser A seinen Pflichtteil geltend. Der Kläger ist das Kind aus ist der 1. Ehe, der Beklagte das Kind aus der 2. Ehe des Erblassers.

Der Beklagte hat den Erblasser aufgrund eines Testaments vom 02.04.1996 allein beerbt. Zuvor hatten der Erblasser und der Kläger am 29.03.1996 einen notariellen Vertrag geschlossen, in dem der Kläger auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtete.

Im Jahr 2000 verstarb die 2. Ehefrau des Erblassers, er selbst zog im Jahr 2004 ins P. Am 25.05.2004 erteilte er dem Beklagten eine umfassende General- und Vorsorgevollmacht. In den Jahren 2003 und 2004 untersuchte der Neurologe und Psychiater C K den Erblasser wegen zunehmender Verwirrtheitszustände und stellte mnestische Defizite unklarer Ursache fest (Bl. 196 ff d.A.). In ihrer Stellungnahme vom 26.01.2009 stellte die Neurologin B K-D bei dem Erblasser eine mäßig ausgeprägte Demenz bei Alzheimer-Krankheit fest (Bl. 84 d.A.). In ihrem nervenärztlichen Gutachten vom 29.07.2009 diagnostizierte sie eine leichte bis mittelgradige Demenz und regte die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge an (Bl. 41 ff d.A.).

Am 14.08.2009 erklärten der Erblasser und der Kläger vor dem Notar E in F, dass sie den Erbverzichtsvertrag vom 29.03.1996 aufheben.

In der Folgezeit wurde der Erblasser noch mehrfach fachärztlich untersucht. Der Allgemeinmediziner G hielt den Erblasser nach Durchführung verschiedener Untersuchungen, wie dem Uhren- und dem DemTect-Test, am 29.05.2015 für nicht mehr geschäftsfähig (Bl. 83 d.A.). Der Psychiater H stellte in seinem Bericht vom 02.06.2015 aufgrund einer Demenz vom Alzheimer Typ eine Geschäftsunfähigkeit fest (Bl. 26 d.A.). Am 09.06.2015 erstellte der Neurologe und Psychiater C K im betreuungsrechtlichen Verfahren ein nervenärztliches Gutachten und stellte eine senile Demenz vom Alzheimertyp fest (Bl. 175 ff d.A.). Am 15.07.2015 ordnete das Betreuungsgericht die Betreuung des Erblassers für den Aufgabenkreis Vermögensangelegenheiten mit Einwilligungsvorbehalt an und bestimmte den Beklagten zu seinem Betreuer.

Nach dem Tod des Vaters im Jahr 2017 hat der Kläger unter Berufung auf den Aufhebungsvertrag vom 14.08.2009 seinen Pflichtteil eingeklagt und im Rahmen einer Stufenklage zunächst auf erster Stufe Auskunft über den Nachlass verlangt.

Der Beklagte hat die Erfüllung des Pflichtteils verweigert und gemeint, die Aufhebung des Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrages sei unwirksam, weil der Erblasser im August 2009 nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei. Wegen des am 29.03.1996 erklärten Pflichtteilsverzichts stehe dem Kläger kein Anspruch hinsichtlich des Nachlasses des Erblassers mehr zu.

Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen I, Vernehmung der Zeugin B K-D und mündlicher Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen die Klage insgesamt mit Urteil vom 26.11.2019 abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe aufgrund des Erbverzichts vom 29.03.1996 kein Pflichtteil zu. Die am 14.08.2009 erklärte Aufhebung des Vertrages sei unwirksam, weil der Erblasser nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei. Dies folge aus der Zeugenaussage der den Erblasser behandelnden Fachärztin K-D sowie den schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen I. Danach habe der Erblasser im Zeitpunkt der Beurkundung des Aufhebungsvertrages an einer mittelschweren Demenz gelitten, die es ihm unmöglich gemacht habe, die Bedeutung und die Folgen seiner Erklärung angemessen zu beurteilen.

Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Er hält den am 14.08.2009 beurkundeten Vertrag weiter für rechtswirksam und rügt die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung als unzutreffend und unvollständig. Er trägt vor, es ...

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