Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments, nach welchem der Überlebende zur "gerechten" Verteilung des Besitzes an zwei Söhne verpflichtet sein sollte. Zur Testierunfähigkeit einer Erblasserin, die aufgrund einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung vom Alzheimertyp nicht mehr in der Lage ist, die Bedeutung und die Tragweite einer erklärten letztwilligen Verfügung einzusehen und nach einer solchen Einsicht zu handeln.

 

Normenkette

BGB §§ 104, 2069, 2229, 2270-2271

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 12 O 141/13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wir das am 06.09.2016 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das durch Frau H2, geb. L, geb. am ........1920, am ........2007 vor dem Notar D mit dem Amtssitz in P unter dessen Urkundenrolle Nr. .../2007 errichtete Testament unwirksam ist.

Es wird weiter festgestellt, dass die von der Erblasserin Frau H2, geb. L, geb. am ........1920, und dem Beklagten abgeschlossenen notariellen Schenkungsverträge

a) vom ........2007, Urkunde des Notars D mit dem Amtssitz in P, Urkundenrolle Nr. .../2007, über 20.000,- Euro,

b) vom ........2007, Urkunde des Notars D mit dem Amtssitz in P, Urkundenrolle Nr. .../2007, über 80.000,- Euro sowie

c) vom ........2008, Urkunde des Notars Dr. C2 mit dem Amtssitz in L, Urkundenrolle Nr. .../2008 über 60.000,- Euro,

unwirksam sind.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägern vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von jeweils 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Erbfolge nach der am ........1920 geborenen und am ........2013 verstorbenen Erblasserin H2, geb. L.

Die Erblasserin war mit dem am ........1972 vorverstorbenen Dr. H3 verheiratet. Die Eheleute Dr. H3 und H2 hatten zwei Kinder, den Beklagten und den am ........2007 verstorbenen Dr. H. Der bereits verstorbene Sohn war mit der gesetzlichen Vertreterin der Klägerin verheiratet. Die während der Ehe am ........2002 geborene Klägerin ist ein leibliches Kind der Frau H4. Ihr Ehemann Dr. H hatte die Klägerin am ........2005 gem. §§ 1741 II 2 2.Alt., 1754 I 2.Alt., 1755 II BGB adoptiert (AG Kamen, 10 XVI 14/04, Bl. 56).

Die Erblasserin errichtete am ........1967 zusammen mit ihrem Ehemann Dr. H3 H ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament. In diesem setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Weiter heißt es dort :

"Dem Überlebenden wird die Verpflichtung auferlegt, dafür zu sorgen, daß nach seinem Tode der Sach- und Grundbesitz gerecht an beide Söhne vererbt wird. Der Grundbesitz soll nicht höher belastet werden, als er zur Zeit der Übernahme belastet ist - ausgenommen besondere Notzeiten (....) und dann nur nach Rücksprache mit den beiden Söhnen. Die alten ererbten Möbel ... dürfen nur in der Familie weitervererbt werden und niemals verkauft werden, auch nicht von unseren Söhnen."

Wegen der Einzelheiten wird auf die Testamentsurkunde vom ........1967 (AG Kamen, 8 IV 84/13, Bl. 59) Bezug genommen.

Die Erblasserin erteilte ihren beiden Söhnen am ........2002 eine Vorsorgevollmacht.

Sie wohnte zu dem Zeitpunkt noch in ihrem Haus L2 in L3, An der C-Straße..... Zum 03.09.2004 zog sie gesundheitsbedingt in das Altenpflegeheim Haus W in L3. Zeitgleich wurde ihr die Pflegestufe II zuerkannt. In dem Pflegeheim lebte die Erblasserin bis zu ihrem Versterben im Januar 2013.

Am 07.09.2004 stellten der Beklagte und sein Bruder beim Amtsgericht Kamen den Antrag, eine Betreuung für ihre Mutter im Bereich Vermögenssorge einzurichten. Sie fügten ihrem Antrag ärztliche Stellungnahmen bei, aus denen hervor ging, dass die Erblasserin an einer mittelschweren Demenz vom Alzheimertyp litt.

Mit Beschluss vom 08.09.2004 ordnete das Betreuungsgericht mit sofortiger Wirkung eine Betreuung für Vermögensangelegenheiten wegen fortgeschrittener Alzheimer Demenz an und bestimmte die beiden Söhne zu gemeinsamen Betreuern. Mit Beschluss vom 30.09.2004 wurden die beiden Söhne der Erblasserin zu gemeinsamen Betreuern bestellt. Auf die Betreuungsakte (AG Kamen, 10 XVII 395/04, Bl.10 ff, 18 und 29) wird verwiesen.

Mit notariellem Vertrag vom ........2006 verkauften die Söhne der Erblasserin als ihre Betreuer das Grundstück L2, An der C-Straße.... in L3 zu einem Preis von 350.000,-EUR. Mit Beschluss vom 03.05.2006 bestellte das Betreuungsgericht den Zeugen Rechtsanwalt N2 als Verfahrenspfleger zur Wahrnehmung der Interessen der Betreuten wegen der Veräußerung des Grundstücks. Mit weiteren Beschluss des Betreuungsgerichts vom 28.06.2006 wurden die Erklärungen der beiden Betreuer im Vertrag vom 06.04.2006 vormundschaftsgerichtlich genehmigt.

Nach dem Versterben des Sohnes der Erblasserin Dr. H am ........2007 beste...

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