Leitsatz (amtlich)

Falsche Angaben eines vermeintlichen Zeugen, die einer Partei eines arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits dazu verhelfen sollen, einen Prozessvergleich wirksam anzufechten, können als sittenwidrige Schädigung der anderen Partei des Arbeitsgerichtsverfahrens Schadensersatzansprüche (hier: wegen weiterer Anwaltskosten bei Fortsetzung des Arbeitsrechtsstreits) begründen.

Die Regelung des § 12a Abs. 1 ArbGG (kein Kostenerstattungsanspruch der obsiegenden Partei) entlastet den sittenwidrigen Schädiger nicht.

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Urteil vom 19.10.2004; Aktenzeichen 2 O 406/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung der jeweiligen weiter gehenden Rechtsmittel - das am 19.10.2004 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Paderborn abgeändert und neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 3.425,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit

dem 14.8.2004 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung der Kostenerstattungsansprüche gegen H P in dem Berufungsverfahren der ArbGsache 15 Sa 1203/03 LAG Hamm.

Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden den Beklagten zu 3/5 und der Klägerin zu 2/5 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Im Jahre 2001 machte die Klägerin vor dem ArbG Paderborn gegen ihren früheren Mitarbeiter H P Schadenersatzforderungen wegen Veruntreuung von Firmengeldern geltend und schloss mit ihm am 11.1.2002 einen Vergleich, in dem er sich zur Rückzahlung von 48.572 EUR verpflichtete. Mit Schreiben vom 8.1.2003 erklärte H P die Anfechtung dieses Vergleiches mit der Behauptung, er sei von dem Sohn des Geschäftsführers der Klägerin, Dr. C, durch Drohungen gegen sein Leben sowie das Leben seiner Ehefrau und seiner Tochter zum Vergleichsabschluss bestimmt worden. Zum Beweis für diese Drohungen bezog er sich auf eidesstattliche Versicherungen der Beklagten (des vorliegenden Zivilprozesses) und begehrte erneute Aufnahme des arbeitsgerichtlichen Verfahrens mit dem Antrag, festzustellen, dass dieses durch den Vergleich vom 11.1.2002 nicht beendet worden ist. Das ArbG nahm daraufhin das Verfahren wieder auf, vernahm die Beklagten als Zeugen und stellte durch Urteil fest, dass dieses Verfahren durch den Vergleich wirksam beendet worden ist. Ein Antrag des H P auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung wurde von dem LAG zurückgewiesen.

Der Klägerin wurden von ihrem Prozessbevollmächtigten in dem ArbGprozess für die Fortführung des Prozesses infolge der Anfechtung des Vergleiches Anwaltskosten i.H.v. 5.284 EUR in Rechnung gestellt. Diese Kosten konnten von dem Schädiger nicht beigetrieben werden, nachdem er die eidesstattliche Versicherung abgelegt hat.

Die Klägerin hat behauptet, die Aussagen der Beklagten in dem ArbGprozess seien vorsätzlich falsch gewesen und die Fortführung dieses Prozesses nach der Anfechtung habe auf diesen Aussagen beruht. Mit der vorliegenden zivilrechtlichen Klage hat sie gegen die Beklagten Ersatz ihrer vorgenannten Anwaltskosten - Zug um Zug gegen Abtretung der Kostenerstattungsansprüche aus dem arbeitsgerichtlichen Verfahren in der Berufungsinstanz des ArbGprozesses - sowie die Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten in dem Zivilprozess i.H.v. 273,50 EUR begehrt. Die Beklagten sind diesem Begehren entgegengetreten und haben die ihnen angelasteten Falschaussagen und eine Ursächlichkeit ihrer Aussagen für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden bestritten. Das LG hat die Beklagten zur Zahlung von 5.284 EUR verurteilt und die weiter gehende Klage abgewiesen. Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung und die Klägerin mit der Anschlussberufung.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Kläger sind zu einem Teil begründet.

Die Klägerin kann von den Beklagten gem. § 826 BGB ihre nach der Vergleichsanfechtung entstandenen Anwaltskosten des ArbGprozesses i.H.v. 3.172 EUR und als Folgeschaden ihre außergerichtlichen Anwaltskosten in dem Zivilrechtsstreit i.H.v. 253,50 EUR, das heißt insgesamt einen Betrag von 3.425,50 EUR, ersetzt verlangen.

1. Die Beklagten sind der Klägerin dem Grunde nach wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung nach § 826 BGB zum Schadenersatz verpflichtet. Sie haben unter dem 9.1.2003 bewusst wahrheitswidrig schriftliche Erklärungen abgegeben, nach denen der Zeuge Dr. C am 28.11.2001 gegen den Schädiger Holger Perrey Drohungen gegen Leib und Leben ausgesprochen haben soll, um einen Prozessvergleich in dem von der Klägerin gegen H P geführten ArbGprozess zu erzwingen. Ihre Erklärungen hatten eine Fortsetzung des zunächst durch Vergleich abgeschlossenen Verfahrens mit der Begründung weiterer Anwaltskosten für die Klägerin zur Folge, die von dem damaligen Beklagten Holger Perrey nicht beigetrieben werden konnten.

a) Die Wahrheitswidrigkeit der vorgenannten Erklärungen vom 9.1.2003 wird von de...

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