Leitsatz (amtlich)

Der Fiskus als Anfechtungsgegner schuldet für den Zeitraum ab Erhalt anfechtbar erlangter Steuern bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens keinen Nutzungsersatz. Der Fiskus hat nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung tatsächlich keine Nutzungen gezogen (§ 987 Abs. 1 BGB) und ihm kann auch nicht vorgeworfen werden, schuldhaft keine Nutzungen gezogen zu haben (§ 987 Abs. 2 BGB).

 

Normenkette

InsO § 143 Abs. 1 S. 2; BGB § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 292 Abs. 2, § 987 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 31.01.2011; Aktenzeichen 17 O 148/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.05.2012; Aktenzeichen IX ZR 125/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers das am 31.1.2011 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des LG Essen abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter von dem beklagten Land im Wege der Insolvenzanfechtung den Ersatz für nicht gezogene Nutzungen für den Zeitraum vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Durch Beschluss des AG Essen vom 13.7.2006 (Aktenzeichen 165 IN 230/05) wurde der Kläger zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des T bestellt.

In dem Zeitraum vom 4.9.2003 bis zum 29.3.2005 zahlte der Insolvenzschuldner insgesamt 103.120,21 EUR an das Finanzamt F. Der Kläger forderte das beklagte Land u.a. durch Schreiben vom 7.12.2009 zur Rückzahlung der gezahlten Steuern nebst Zinsen ab dem Zeitpunkt des Zahlungseingangs auf. In der Folgezeit wurde seitens des beklagten Landes die Forderung einschließlich der Zinsen ab Insolvenzeröffnung ausgeglichen.

Mit der Klage hat der Kläger zunächst Zinsen auf die Hauptforderung i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab der Zahlung des Insolvenzschuldners an das beklagte Land beansprucht. Nach einem Hinweis der Kammer hat der Kläger seine Forderung auf einen Zinssatz von 4 % beschränkt. Das beklagte Land hat einer Klagerücknahme jedoch nicht zugestimmt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er einen Anspruch auf Ersatz der schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen ab der jeweiligen Zahlung des Insolvenzschuldners habe. Insoweit sei § 246 BGB anwendbar und es seien Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes zu zahlen. Hilfsweise hat der Kläger die Zinsen geltend gemacht, die bei einer Anlage in festverzinslichen Wertpapieren erzielt werden können.

Das beklagte Land hat dagegen die Ansicht vertreten, dass die erhaltenen Beträge erst ab der Insolvenzeröffnung zu verzinsen seien. Ansprüche des Klägers seien deshalb bereits erfüllt. Dass es beim Empfang des Geldes bösgläubig i.S.v. § 819 Abs. 1 BGB gewesen sei, habe der Kläger nicht dargelegt. Darüber hinaus hat es auf die Rechtsprechung des BGH (OLG Hamm vom 3.2.2006, Aktenzeichen XI ZR 125/03, BGHZ 158, 1 und Urteil vom 30.3.2004, Aktenzeichen XI ZR 145/03, juris) verwiesen, wonach der Steuerfiskus keine Nutzungen ziehe. Der Staat lege öffentlich-rechtlich erlangte Einnahmen nicht gewinnbringend an, sondern er verwalte diese im Interesse der Allgemeinheit.

Das LG hat das beklagte Land zur Zahlung von 7.707,59 EUR verurteilt. Es hat die Ansicht vertreten, dass auch vom Fiskus schuldhaft nicht gezogene Nutzungen zu ersetzen seien. Die vom beklagten Land zitierte Rechtsprechung des BGH sei nicht anwendbar, da sich diese nicht auf einen der verschärften Haftung nach § 819 Abs. 1 BGB unterliegenden Bereicherungsschuldner beziehe.

Die Höhe der schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen müsse konkret festgestellt werden, so dass eine pauschale Verzinsung von 4 % nicht zulässig sei. Orientiert hat sich die Kammer an der Umlaufrendite festverzinslicher Wertpapiere.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich das beklagte Land mit seiner Berufung. Es vertritt die Auffassung, dass dem Fiskus nicht vorgeworfen werden könne, dass er schuldhaft keine Nutzungen gezogen habe. Vielmehr würden zugunsten der Allgemeinheit die Steuergelder nur verwaltet. Der Fiskus sei nicht wirtschaftlich tätig.

Das beklagte Land beantragt, das angefochtene Urteil insoweit abzuändern, als es zur Zahlung eines Betrages von 7.707,59 EUR nebst Zinsen verurteilt wurde.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung das angefochtene Urteil abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 11.185,63 EUR zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt außerdem, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger folgt der Auffassung des LG, dass grundsätzlich auch der Fiskus zur Herausgabe von schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen verpflichtet sei.

Im Wege der Anschlussberufu...

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