Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein vom sogenannten "Dieselskandal" betroffenes Fahrzeug verleast, kann dem Leasingnehmer gegen den Hersteller ein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zustehen, der auf Erstattung der Leasingraten unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung gerichtet ist.

2. Zu den Auswirkungen des regulären Endes der Leasingzeit auf die leasingtypische Abtretungskonstruktion.

 

Normenkette

BGB § 249 ff., § 826

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 12 O 320/17)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 30. Mai 2018 unter Zurückweisung seines Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger 17.412,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. September 2017 sowie weitere 226,10 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Februar 2019 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage gegen beide Beklagte abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat der Kläger 62 % der Gerichtskosten sowie 44 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und sämtliche außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 tragen; die Beklagte zu 1 hat 38 % der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten zu 1 bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird für die Beklagte zu 1 zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger, ein Leasingnehmer, verlangt von der Beklagten zu 1 als Entwicklerin und Herstellerin des Motors in dem von ihm bei der Beklagten zu 2 geleasten Pkw Schadensersatz aufgrund des sogenannten "Dieselskandals". Von der Beklagten zu 2 als Leasinggeberin hat er ursprünglich die Preisgabe von für einen Rücktritt vom Kaufvertrag mit dem Lieferanten der Beklagten zu 2 erforderlichen Informationen und Schadensersatz wegen Verzuges hiermit begehrt. Nachdem er den Antrag auf Preisgabe der Informationen wegen Zeitablaufs einseitig für erledigt erklärt hat, begehrt er die Feststellung der Erledigung sowie die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 2.

Der Kläger schloss mit der Beklagten zu 2 auf Grundlage des als Anlage 4-1 bis 4-9 zur Klageschrift vorgelegten "Antrag[s] auf Vario-Finanzierungsvertrag" vom 25. Oktober 2013 einen Teilamortisationsleasingvertrag mit Kaufoption über einen Neuwagen des Typs "B 2.0 TDI" mit der Abgasnorm EU5 und 130 kW Motorleistung. Dem Kläger wurde die Option eingeräumt, das Fahrzeug am Vertragsende zu einem festen Preis zu kaufen ("Kaufoption für Ihren B", Anlage 3-3, Anlagenband). Als Finanzierungskonditionen wurden ausgehend von einem Bruttokaufpreis von 66.050,00 EUR unter anderem vereinbart (Seite 2 des "Vario-Finanzierungsangebot[s] für Ihren B Q5" vom 25. Oktober 2013, Anlagenband):

  • eine Vertragslaufzeit von 42 Monaten,
  • eine monatliche Leasingrate von 522,42 EUR, wovon 414,13 EUR Finanzierungsleasingrate sind und 108,29 EUR ("Servicerate") auf ein Versicherungspaket entfallen (Einzelheiten Seite 6 des Angebots, Anlage 3-6),
  • eine Anzahlung von 9.907,50 EUR,
  • Logistikdienstleistungen für 1.036,00 EUR,
  • eine Gebühr für die Einräumung der Kaufoption in Höhe von 1.981,50 EUR, die nur dann fällig werden sollte, wenn der Kläger das Fahrzeug nicht übernimmt,
  • der Kaufpreis im Fall der Ausübung der Kaufoption,
  • ausgehend von einer Fahrleistung von 20.000 km im Jahr eine Vergütung für Minderkilometer (max. 10.000 km, Freigrenze 2.500 km) von 13,21 Cent/km.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Anlage 4-1 bis 4-9 zur Klageschrift verwiesen (Anlagenband).

Die Allgemeinen Leasingbedingungen (im Folgenden: ALB), auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Anlage 2.1 bis 2.11, Anlagenband), regeln unter Ziffer 3 ("Beginn und Ende der Leasingzeit") die Vertragsdauer, unter Ziffer 8 die Gefahrtragung ("Übernahme, Gefahrtragung, Sachgefahr") und unter Ziffer 10 ("Ansprüche und Rechte bei Fahrzeugmängeln") eine leasingtypische Freizeichnung der Beklagten zu 2 von der Sachmängelhaftung bei gleichzeitiger Abtretung der kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche der Beklagten zu 2 gegen den Verkäufer an den Leasingnehmer. Dort heißt es u.a.:

"3. Beginn und Ende der Leasingzeit

3.1. [...]

3.2 Unbeschadet des Rechts zur fristlosen Kündigung des Leasingvertrages aus wichtigem Grund endet der Leasingvertrag mit Ablauf der vertraglich bestimmten Leasingzeit. [...]

8. Übernahme, Gefahrtragung, Sachgefahr

8.1 [...]

8.2 Für Untergang, Verlust, Beschädigung und schadensbedingte Wertminderung des Fahrzeugs und seiner Ausstattung haftet der Leasingnehmer T [Beklagte zu 2...

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