Verfahrensgang

LG Arnsberg (Aktenzeichen 8 O 3/15)

 

Nachgehend

BGH (EuGH-Vorlage vom 07.03.2019; Aktenzeichen I ZR 169/17)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 09.07.2015 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Arnsberg wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es am Ende des Widerklagetenors nicht "wie am 09.01.2015 geschehen", sondern "wie am 12.01.2015 in dem Internetauftritt der Klägerin www.X.de gemäß Anlage B1 geschehen" lautet.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Soweit die Klägerin zur Unterlassung verurteilt worden ist, kann sie die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 EUR abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Im Übrigen kann die Klägerin die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien handeln im Internet mit Erotikartikeln.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.12.2014 mahnte die Klägerin den Beklagten wegen der Verwendung einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung und der Werbung mit einem Testergebnis ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Erstattung der anwaltlichen Kosten der Abmahnung in Höhe von 612,80 EUR auf (Anlage K3).

Der Beklagte gab unter dem 08.01.2015 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.01.2015 mahnte er seinerseits die Klägerin ab (Anlage K1). Er beanstandete, in der im Internetauftritt der Klägerin verwendeten Widerrufsbelehrung sei keine Telefonnummer angegeben. Die anwaltlichen Kosten der Abmahnung errechnete der Beklagte mit 612,80 EUR und erklärte mit seinem geltend gemachten Anspruch auf Erstattung dieser Kosten die Aufrechnung gegenüber dem Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin aus der Abmahnung vom 29.12.2014.

Die Klägerin lehnte mit anwaltlichem Schreiben vom 22.01.2015 die Abgabe der geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärung ab (Anlage B2).

Im Wege der negativen Feststellungsklage begehrt sie die Feststellung, dass dem Beklagten der mit der Abmahnung vom 12.01.2015 geltend gemachte Unterlassungsanspruch und der Kostenerstattungsanspruch nicht zustehen.

Ferner verlangt die Klägerin vom Beklagten Erstattung der mit 612,80 EUR berechneten Kosten der Abmahnung vom 29.12.2014.

Widerklagend macht der Beklagte den mit der Abmahnung vom 12.01.2015 verfolgten Unterlassungsanspruch geltend.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie sei nicht zur Angabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung verpflichtet. Eine solche Verpflichtung sei gesetzlich nicht normiert. Lediglich in dem Gestaltungshinweis Ziffer 2. zur Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB sei ausgeführt, dass eine Telefonnummer, soweit verfügbar, einzufügen sei. Die Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung sei indes nicht vorgeschrieben.

Aus dem von der Europäischen Kommission veröffentlichten Leitfaden zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie ergebe sich, dass die Angabe einer Telefonnummer nicht erforderlich sei, wenn ein Onlinehändler - so wie die Klägerin - keine Verträge per Telefon abschließe. Ferner gehe aus den Materialien der Richtlinie hervor, dass der Widerruf auf einem dauerhaften Datenträger erklärt bzw. das Muster-Widerrufsformular verwendet werden solle.

Angesichts der den Verbraucher treffenden Beweislast für die Ausübung des Widerrufsrechts widerspreche die Angabe einer Telefonnummer im Rahmen der Widerrufsbelehrung dem Gedanken des Verbraucherschutzes. Der Verbraucher könne bei einem telefonisch erklärten Widerruf nicht nachweisen, dass er fristgerecht sein Widerrufsrecht ausgeübt habe.

Ferner erwecke die Muster-Widerrufsbelehrung (Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB) durch die Formulierung "Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren." den Eindruck, ein Widerruf könne nur schriftlich erklärt werden.

Überdies handele es sich bei dem gerügten Verstoß um eine Bagatelle. Die Klägerin habe im Rahmen ihres Impressums eine Telefonnummer genannt. Die von ihr verwendete Telefonnummer sei zudem auf der Startseite ihres Internetauftritts im unteren Bereich klar und deutlich dargestellt. Ferner habe sie unter dem Menüpunkt "Informationspflichten" sämtliche gesetzlich vorgesehenen Informationen aufgeführt.

Die vom Beklagten ausgesprochene Abmahnung sei außerdem rechtsmissbräuchlich. Diese sei eine "Retourkutsche" und habe offensichtlich nur dazu gedient, einen aufrechenbaren Gegenanspruch gegenüber dem Kostenerstattungsanspruch der Klägerin zu schaffen. Bereits in dem...

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