Leitsatz (amtlich)

Zum Erklärungswert des Verhaltens des Wohnraumvermieters als "vorbehaltlose Abnahme" bei Rückgabe einer Mietwohnung, die mit Feststellung des Zustands verbunden ist.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, § 254; ZPO §§ 167, 304, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 17.05.2011; Aktenzeichen 25 O 17/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.5.2011 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Dortmund aufgehoben.

Der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Wegen der Anspruchshöhe und der Kosten des Rechtsstreits wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückver-wiesen, welches auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Eigentümerin und Vermieterin eines Einfamilienhauses in E. Sie nimmt den beklagten Rechtsanwalt in Regress und macht geltend, dass dieser für die Verjährung von - behaupteten - Schadensersatzansprüchen gegen frühere Mieter mitverantwortlich sei.

Die Klägerin schloss am 28./30.3.2004 einen Mietvertrag über ein Einfamilienhaus in E. Zwischen Vermieter- und Mieterseite entstanden Streitigkeiten. Die Mieter entrichteten die Miete von monatlich 1.100 EUR in den Monaten April bis Juni 2005 nicht. Die Klägerin erwirkte am 4.5.2005 einen Mahnbescheid wegen rückständiger Miete. Sie hatte dazu eine Anwaltssozietät in N2 ("KWM") mandatiert. Das Mandat wurde von Rechtsanwalt Dr. H betreut. Die Mieter legten Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein.

Die Mieter kündigten das Mietverhältnis zum 30.6.2005. An diesem Tag fand die Abnahme des Mietobjekts statt. Anwesend waren die Klägerin, ihr Ehemann, ihr Schwiegersohn, ferner der Mieter und ein Arbeitskollege des Mieters. Unstreitig machte die Vermieterseite beim Durchgang durch Haus und Garten Lichtbilder vom Zustand des Objekts.

Streitig ist, ob die Klägerin sich Ansprüche aufgrund von Mietmängeln vorbehielt. Streitig ist dabei insbesondere, ob die Klägerin ein handschriftliches, von ihren Ehemann diktiertes Abnahmeprotokoll fertigte.

Die Sozietät "KWM" teilte der Klägerin mit Schreiben vom 26.7.2005 mit, dass sie keine mietrechtlichen Mandate mehr betreue. Die Klägerin mandatierte sodann den Beklagten. Rechtsanwalt Dr. H übersandte dem Beklagten mit Schreiben vom 29.7.2005 Unterlagen. In dem vorgenannten Schreiben heißt es u.a.: "Auch haben wir die uns von Herr I [Ehemann der Klägerin] überlassenen Unterlagen in Kopie (drei Heftstreifen) beigefügt."

Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, dass sämtliche Unterlagen bei dem Mandatswechsel an den Beklagten gesandt worden seien, auch das handschriftliche Rückgabeprotokoll. Sie hat sich auf das Zeugnis von Rechtsanwalt Dr. H berufen. Der Beklagte bestreitet in diesem Zusammenhang, dass ein handschriftliches Protokoll existiere; er habe ein solches auch nicht erhalten.

Mit Telefaxschreiben der Klägerin vom 5.12.2005 (Bl. 105 d.A.) bat sie den Beklagten, die drohende Verjährung verhindern. Sie wies auf ihre Urlaubswesenheit hin, die sie auf den 16.12.2005 bis zum 15.1.2006 datierte. Am 15.12.2005 fertigte der Beklagte einen Klageentwurf. Der Ehemann der Klägerin reagierte mit einem Schreiben vom 17.12.2005 an den Beklagten (Anlage B 1 = Bl. 64 f. d.A.).

Streitig ist, ob die Klägerin den Beklagten am 20.12.2005 anrief. Der Beklagte behauptet in diesem Zusammenhang, er habe der Klägerin geraten, den Gerichtskostenvorschuss vorab an ihn zu zahlen, um ihn in die Lage zu versetzen, die Gerichtskostenrechnung sofort bei Eingang zu begleichen. Der Beklagte legt darüber einen Telefonvermerk über einen "Anruf der Mandantin" vor (Anlage B 2 = Bl. 67 d.A.). Er behauptet in diesem Zusammenhang, die Klägerin habe seinen Rat abgelehnt und ihn wegen des Gerichtskostenvorschusses an ihren Rechtsschutzversicherer verwiesen. Der Beklagte behauptet weiter, am 22.12.2005 habe der Ehemann der Klägerin sich telefonisch bei ihm gemeldet und erklärt, die Leistung eines Vorschusses durch die Klägerin komme nicht in Betracht; der Ehemann habe ebenfalls auf den Rechtsschutzversicherer verwiesen.

Der Beklagte erhob mit der Klageschrift vom 29.12.2005 Klage zum zuständigen AG (.../...- AG E). Er bezifferte den Anspruch der Klägerin mit 28.346,03 EUR. Dieser Betrag ist Gegenstand des Regressprozesses. Wegen der Einzelheiten der Forderungsberechnung wird auf die damalige Klageschrift Bezug genommen (Anlage K 1 = Bl. 8 ff. d.A.).

Die Gerichtskostenrechnung i.H.v. 1.020 EUR datiert vom 2.1.2006 und ging am 9.1.2006 bei dem Beklagten ein. Deckungsschutz war der Klägerin von ihren Rechtsschutzversicherer bis dahin nicht bewilligt worden. Am 12.1.2006 formulierte der Beklagte eine sog. "Rechtschutzanfrage" an den Rechtsschutzversicherer der Klägerin (Anlage K 3 = Bl. 15 d.A.). Dieser entrichtete den Gerichtskostenvorschuss am 8.2.2006. Die Klage wurde den vormaligen Mietern a...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge