Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung der zum Mangelfall entwickelten Grundsätze bei Geschwistertrennung

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn minderjährige Kinder jeweils von einem Elternteil betreut werden (Geschwistertrennung) und nur ein Elternteil leistungsfähig ist, so wird dessen für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehendes Einkommen (bereinigtes Einkommen abzgl. notwendiger Selbstbehalt) unter den Geschwistern aufgeteilt. Dabei werden die zum Mangelfall entwickelten Grundsätze entsprechend angewendet, sodass eine Aufteilung der Verteilungsmasse im Verhältnis der Einsatzbeträge für die Kinder (135 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle) erfolgt.

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1602 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Dortmund (Urteil vom 19.01.2004; Aktenzeichen 170 F 1730/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.1.2004 verkündete Urteil des AG - FamG - Dortmund (Aktenzeichen 170 F 1730/03) abgeändert.

Das Vensäumnisurteil vom 10.9.2003 wird teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen des gesetzlichen Vertreters folgende monatliche Unterhaltszahlungen zu leisten:

Juli und August 2003: je 146 EUR

September bis Dezember 2003: je 66 EUR

ab Januar 2004: je 136 EUR

Die bis einschließlich Januar 2005 fällig gewordenen Monatsraten sind jeweils ab dem dem jeweiligen Monatsersten folgenden Werktag i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 71 % und die Beklagte 29 % zu tragen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden zu 69 % dem Kläger und zu 31 % der Beklagten auferlegt; hiervon ausgenommen sind die Kosten der Säumnis der Beklagten, die die Beklagte allein trägt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Wegen der Frage, ob und in welcher Höhe der Barunterhaltsbedarf der Tochter E. der Beklagten bei der Ermittlung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit der Beklagten zu berücksichtigen ist, wird die Revision zugelassen.

 

Gründe

I. Der am 26.7.1991 geborene Kläger ist der Sohn der Beklagten. Als Schüler verfügt er über kein eigenes Einkommen. Die Ehe der Kindeseltern wurde durch Urteil des AG Dortmund vom 3.6.1997 geschieden. Aus dieser Ehe sind insgesamt 5 Kinder hervorgegangen, von denen heute noch zwei minderjährig sind. Während der Kläger bei seinem Vater lebt, wird die am 19.7.1988 geborene Tochter E. von der Beklagten versorgt.

Der Vater des Klägers bezieht eine Knappschaftsrente sowie eine Betriebsrente der Fa. T. Eine gegen ihn gerichtete Unterhaltsklage seiner Tochter E. wurde rechtskräftig abgewiesen.

Die Beklagte hat eine abgeschlossene Ausbildung als Fleischfachverkäuferin. Seit Januar 2003 war sie zunächst arbeitslos und bezog Arbeitslosenhilfe. Seit dem 16.6.2003 ist sie als Verkäuferin für den R.-Lebensmittelkonzern tätig. Nachdem sie zunächst versuchsweise vollschichtig gearbeitet hatte, war sie ab September 2003 halbschichtig tätig. Seit dem 1.4.2004 beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 28 Stunden.

Der Kläger, der noch bis Juni 2003 Leistungen von der Unterhaltsvorschusskasse i.H.v. monatlich 150 EUR bezog, begehrt die Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe des Regelbedarfs ab März 2003.

Die Beklagte hat behauptet, dass ihr eine weitere Ausweitung der Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei. Sie habe am linken Mittelfußknochen und am rechten Arm Trümmerbrüche erlitten. Außerdem befinde sie sich wegen Depressionen in neurologischer Behandlung.

Durch Versäumnisurteil des AG vom 10.9.2003 ist die Beklagte verurteilt worden, an den Kläger für den Zeitraum von März bis einschließlich Juni 2003 eine Unterhaltsrente i.H.v. 228 EUR und ab Juli 2003 i.H.v. 269 EUR zu zahlen. Nach fristgerechtem Einspruch des Beklagten hat das AG das Versäumnisurteil teilweise - i.H.v. monatlich 20 EUR ab Juli 2003 - aufrechterhalten und die Klage im Übrigen unter Aufhebung des Versäumnisurteils abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, bis einschließlich Juni 2003 bestehe ein Unterhaltsanspruch mangels Leistungsfähigkeit nicht. Ein Verstoß gegen Erwerbsobliegenheiten liege nicht vor. Da die Beklagte eine neue Anstellung gefunden habe, könne von ausreichenden Bemühungen um eine Arbeitsstelle ausgegangen werden. Ab Juli 2003 sei die Beklagte teilweise als leistungsfähig anzusehen. Ihr sei insoweit zumutbar gewesen, eine 2/3-Stelle anzunehmen. Eine Verpflichtung zur Aufnahme einer vollschichtigen Tätigkeit habe nicht bestanden, da sie zum einen ein minderjähriges Kind zu betreuen habe und auch gesundheitliche Umstände entgegenstünden. Ausgehend vom derzeitigen Einkommen könne die Beklagte einschließlich der Sonderzahlungen ein durchschnittliche...

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