Leitsatz (amtlich)

1. Kündigt der Vermieter dem gewerblichen Mieter wegen Lärmbeeinträchtigungen fristlos, kommt es auf eine etwaige mangelhafte Schallisolierung des Mietobjektes nicht an, wenn sich die Unzulässigkeit der Lärmstörungen nicht allein aus der Lautstärke, sondern schon zumindest auch aus anderen Gründen ergibt, wie etwa einer unzulässigen Geräuschquelle oder einer einzuhaltenden Ruhezeit.

2. Spricht ein Vermieter nach schon erfolgter Abmahnung aufgrund einer vergleichbaren weiteren Vertragspflichtverletzung des gewerblichen Mieters zunächst eine - erneute - Abmahnung aus, steht dies einer auf denselben Verstoß beruhenden nachfolgenden fristlosen Kündigung nicht zwingend entgegen, auch wenn der erneuten Abmahnung keine weitere vergleichbare Vertragspflichtverletzung folgte. Denn eine Abmahnung beinhaltet jedenfalls nicht ohne Weiteres auch einen Kündigungsverzicht und begründet auch nicht zwingend das Vorliegen einer unzulässigen Rechtsausübung im Falle einer gleichwohl nachfolgenden frist-losen Kündigung.

3. § 314 Abs. 3 BGB findet auf die fristlose Kündigung auch im gewerblichen Mietrecht keine Anwendung (Anschluss an BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 - VIII ZR 296/15 - Rn. 14 ff.).

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, §§ 242, 314 Abs. 3, § 543 Abs. 1, 3, § 569 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 12 O 171/18)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 5. Juni 2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Essen - 12 O 171/18 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses und das vorbezeichnete landgerichtliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung hinsichtlich der Verurteilung zur Herausgabe gemäß dem Tenor des vorbezeichneten landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000, - EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen bleibt dem Beklagten nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt vom Beklagten Herausgabe einer verpachteten Gaststätte auf Grundlage einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

Die Klägerin verpachtete dem Beklagten mit Vertrag vom 14.03.2017 (Bl. 9 ff. d.A.) Räumlichkeiten auf dem Grundstück F-Str. ... in I zum Betrieb einer Gaststätte. Das Pachtverhältnis begann am 01.05.2017 und sollte am 30.04.2027 enden. Es sollte sich jeweils um ein Jahr verlängern, wenn es nicht von einer Vertragspartei mindestens zwölf Monate vor Ablauf der Pachtzeit bzw. des jeweiligen Verlängerungszeitraumes schriftlich gegenüber dem anderen Vertragsteil gekündigt wird. Der Pachtzins beträgt 1.153, - EUR monatlich, die Betriebskostenvorauszahlung 247, - EUR. Oberhalb der Gaststätte befinden sich Wohnungen.

Die Stadt I erteilte dem Beklagten mit Bescheid vom 30.05.2017 eine Erlaubnis gemäß § 2 Gaststättengesetz (Bl. 114 ff. d.A.). Diese enthält u.a. folgende Regelungen zum Lärmschutz:

"[...]

2. Für die in baulichem Zusammenhang stehenden Wohnräume sind folgende Richtwerte einzuhalten:

tagsüber 35 dB (A) - nachts 25 dB (A)

3. Als Nachtzeit gilt die Zeit von 22.00 Uhr - 06.00 Uhr. [...]

4. Die im Betrieb befindliche elektroakustische Anlage ist stets mittels Schallpegelbegrenzer nur so zu betreiben, dass ein maximaler Innenpegel von LAFTM 80 dB (A) eingehalten wird.

5. Elektrisch oder elektronisch verstärkte Live-Musik [...] oder Ansagen dürfen nur über die eingepegelte und verplombte Anlage im Betrieb abgespielt werden.

6. [...]

7. Bei Live-Veranstaltungen und nach 22 Uhr sind Fenster und aus dem Gaststättenbetrieb führende Türen geschlossen zu halten.

8. Während der Nachtzeit (von 22 - 6 Uhr) sind musikalische Darbietungen sowie die Benutzung von elektroakustischen Anlagen untersagt, solange nicht durch Gutachten nachgewiesen ist, dass der bauliche Schallschutz gemäß DIN 4109 [...] erfüllt ist."

Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.04.2018 (Bl. 24 ff. d.A.) mahnte die Klägerin den Beklagten u.a. dahingehend ab, dass er sowohl an Arbeitstagen als auch an Wochenenden erhebliche Lärmstörungen durch laut abgespielte Musik verursache. Dadurch würden die Mieter nicht unerheblich gestört und hätten Polizei und Ordnungsamt einschalten müssen. Die Klägerin forderte den Beklagten auf, künftige Lärmstörungen, insbesondere eine Musikbeschallung in den üblichen Ruhezeiten, zu unterlassen. Sie wies darauf hin, dass der Beklagte, sollte er die Störungen aufrechterhalten, mit einer fristlosen Kündigung rechnen müsse.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.06.2018 (Bl. 31 f. d.A.) erfolgte eine weitere Abmahnung der Klägerin, die sich darauf stützte, dass sich am Samstag, den 26.05.2018, Mieter über lautstarke Musik und Gegröle aus der Gaststätte beschwert hätten. Die Klägerin selbst habe gegen 22 Uh...

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