Leitsatz (amtlich)

Erleidet ein Schüler in der Schule durch zwei Schläge eines Mitschülers eine schwerwiegende Augenverletzung, kann der Geschädigte vom Schädiger ein Schmerzensgeld verlangen, das den vom Schädiger billigend in Kauf genommen Verletzungen Rechnung trägt. Weitergehende, vom Vorsatz des Schädigers nicht umfasste Verletzungsfolgen sind bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht zu berücksichtigen.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 253; StGB § 223; SGB VII §§ 104-105

 

Verfahrensgang

LG Siegen (Urteil vom 20.12.2012; Aktenzeichen 8 O 68/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 20.12.2012 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Siegen teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 500 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.7.2010 zu zahlen.

Im weiter gehenden Umfang werden die Berufung sowie die Anschlussberufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 4 % dem Beklagten und zu 96 % dem Kläger auferlegt.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien waren Schüler der Hauptschule S. Dort besuchten sie Parallelklassen. Als sie am 28.6.2010 gemeinsam Unterricht hatten, kam es zunächst zwischen dem Beklagten und einem weiteren Mitschüler zu einer Rangelei, über die sich der Kläger lustig machte. Als die Parteien nach dem Unterricht die Treppe in Richtung Pausenhof verließen, fühlte sich der Beklagte vom Kläger provoziert. Er ging auf den Kläger zu, wobei beide in eine Ecke neben der Treppe gelangten. Dort schlug der Beklagte zweimal gegen das rechte Auge des Klägers, der dabei eine schwere Gehirnerschütterung, eine Orbitabodenfraktur, eine Contusio bulbi beidseits und ein ausgeprägtes Hämatom am rechten Auge erlitt. Aufgrund eines eingeklemmten Augenmuskels musste der Kläger sodann operiert und stationär behandelt werden.

Mit der Behauptung, dass er seit dem Vorfall unter Doppelbildern, Einschlafstörungen sowie wiederkehrenden Kopfschmerzen leide, hat der Kläger vom Beklagten u.a. ein Schmerzensgeld von mindestens 20.000 EUR sowie die Feststellung der Ersatzverpflichtung materieller und immaterieller Schäden verlangt.

Das LG hat die Strafakten 26 Js 780/10 Staatsanwaltschaft Siegen beigezogen und lediglich einen Schmerzensgeldbetrag i.H.v. 500 EUR nebst Zinsen zugesprochen und insoweit eine unerlaubte Handlung festgestellt.

Im weiter gehenden Umfang hat es die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es am doppelten Vorsatz - also auch im Hinblick auf die unglückliche Schadensfolge - fehle.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der ein höheres Schmerzensgeld sowie die Feststellung der weiter gehenden Ersatzverpflichtung verlangt.

Er macht geltend, dass man schon deswegen von einem doppelten Vorsatz ausgehen müsse, weil der Beklagte ihn in eine Ecke gedrängt habe, so dass er überhaupt keine Möglichkeit zum Ausweichen gehabt habe. Der Beklagte habe zudem mit einer ungeheuren Wucht zugeschlagen. Er habe den Kläger in jedem Fall erheblich verletzen wollen. Es sei nicht erforderlich, die konkreten medizinischen Verletzungen zu kennen, es reiche aus, dass man wisse, dass derartige Schläge gegen den Kopf zu erheblichen Verletzungen führen könnten.

Tatsächlich sei der Kläger erheblich verletzt worden und habe wegen des eingeklemmten Augenmuskels operiert werden müssen. Insoweit behauptet er, dass er noch heute unter Doppelbildern und einer eingeschränkten Beweglichkeit des Auges leide.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung (richtig: Abänderung) des Urteils des LG Siegen - Aktenzeichen 8 O 68/12 vom 20.12.2012 - zu verurteilen, an ihn ein angemessenes, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, das jedoch den Betrag von 20.000 EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.7.2010 zu zahlen; festzustellen, dass der Beklagte unter Aufhebung (richtig: Abänderung) des Urteils des LG Siegen - Aktenzeichen 8 O 68/12 vom 20.12.2012 - verpflichtet ist, ihm alle materiellen und immateriellen Schäden aus dem Vorfall vom 28.6.2010 zu erstatten, soweit diese nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen sind; den Beklagten unter Aufhebung (richtig: Abänderung) des Urteils des LG Siegen - Aktenzeichen 8 O 68/12 vom 20.12.2012 - zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.023,16 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.7.2010 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt der Beklagte, das Urteil des LG Siegen vom 20.12.2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Beklagte macht im Rahmen der Anschlussberufung g...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge