Leitsatz (amtlich)

Wird ein Motorradfahrer in einer Rechtskurve zu weit nach links getragen, und vollzieht er deutlich jenseits der gedachten Fahrbahnmitte eine Vollbremsung, so dass es letztlich auf der Gegenfahrbahn mit einem seinerseits im Bereich der Mitte seiner Fahrspur fahrenden Motorrad zu einer Kollision kommt, lässt dies typischerweise auf einen Fahrfehler des Führers des seine Fahrspur verlassenden Motorrades schließen.

Dass dieser Fahrzeugführer lediglich auf ein in der Annäherung seinerseits auf der Gegenfahrbahn fahrendes Fahrzeug im Gegenverkehr reagiert, ist ein atypischer Geschehensablauf, der von dem Fahrzzeugführer darzulegen und zu beweisen ist.

 

Normenkette

StVG § 7 Abs. 1; StVG § 18 Abs. 1; StVO § 2 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Urteil vom 11.09.2014; Aktenzeichen I-2 O 83/13)

 

Tenor

Die Berufungen der Parteien gegen das am 11.9.2014 verkündete Teilgrund- und Teilendurteil der 2. Zivilkammer des LG Arnsberg (2 O 83/13) werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Wegen des erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 109 R ff. GA) Bezug genommen. Wegen der Unfallörtlichkeit wird auf die polizeilichen Skizzen und Fotos (Bl. 7 und 9 ff. BeiA) sowie die Lichtbilder und Skizzen aus dem vom Sachverständigen N im Strafverfahren erstatteten Gutachten (Bl. 66 ff. und 87 ff. BeiA) verwiesen.

Das LG, dem auch die Akten 110 Js 1008/11 Staatsanwaltschaft Arnsberg vorgelegen haben, hat zum Unfallhergang Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. N (lose bei den Akten). Es hat sodann mit dem angefochtenen Teilgrund- und Teilschlussurteil - unter Abweisung der weiter gehenden Klage

  • festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, alle zukünftigen materiellen und unvorhergesehenen immateriellen Schäden des Klägers aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall nach einer Mithaftungsquote von 25 % zu ersetzen, soweit kein Forderungsübergang auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte erfolgt oder bereits erfolgt ist, und
  • die Klage im Übrigen dem Grunde nach mit einer Haftungsquote von 25 % zu Lasten der Beklagten für gerechtfertigt erklärt.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Angesichts der als solche unstreitigen erheblichen unfallbedingten Verletzungen bestehe die Möglichkeit weiterer zukünftiger materieller und - unvorhergesehener - immaterieller Schäden, so dass das erforderliche Feststellungsinteresse zu bejahen sei.

Dem Grunde könne der Kläger von den Beklagten als Gesamtschuldnern gem. §§ 18 Abs. 1, 7 Abs. 1, 18 Abs. 3, 17 Abs. 1 und 2 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 VVG Ersatz seiner unfallbedingten Schäden nach einer Haftungsquote von 25 % verlangen.

  • Den hier in Rede stehenden Sach- und Körperschaden habe der Kläger i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG beim Betrieb des vom Beklagten zu 1) geführten und bei der Beklagten zu 2) versicherten Motorrades erlitten.
  • Den ihm obliegenden Entlastungsbeweis nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG und auch den Beweis einer Unabwendbarkeit des Unfalls für ihn i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG habe der Beklagte zu 1) nicht geführt. Denn nach dem von keiner Seite angezweifelten Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen N sei der genaue Unfallhergang nicht aufklärbar und sei es insbesondere möglich, dass der Beklagte zu 1) entsprechend der klägerischen Darstellung zunächst unter Verstoß gegen § 2 Abs. 2 StVO auf der Gegenfahrbahn gefahren und dadurch das letztlich zur Kollision auf seiner - des Beklagten zu 1) - Fahrbahn führende Bremsmanöver des entgegenkommenden Klägers veranlasst habe.
  • Die danach erforderliche Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führe zu einer Haftungsquote der Beklagten von 25 %.
  • Auf Seiten des Klägers sei ein betriebsgefahrerhöhendes unfallursächliches Verschulden in Form eines Verstoßes gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen. Für einen solchen Verkehrsverstoß spreche vorliegend der Anschein, da die Kollision sich unstreitig - aus Sicht des Klägers - auf der Gegenfahrbahn ereignet habe. Dieser Anscheinsbeweis sei auch nicht entkräftet; denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die klägerische Hergangsdarstellung lediglich theoretisch möglich, handele es sich insoweit indes mangels feststehender oder bewiesener Anknüpfungstatsachen nicht um eine für die Erschütterung des Anscheinsbeweises erforderliche ernsthafte Möglichkeit.
  • Auf Seiten der Beklagten sei - mangels Aufklärbarkeit des genauen Herganges - lediglich die Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 1) geführten Motorrades zu berücksichtigen.
  • Da ein grobes Verschulden des Klägers weder dargetan noch sonst ersichtlich sei, trete die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges nicht ganz zurück. Vielmehr sei eine Haftungsverteilung von 75 % zu Lasten des Klägers und 25 % zu Lasten...

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