Entscheidungsstichwort (Thema)

Rotlichtverstoß nach Anhalten

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 11.12.2003; Aktenzeichen 15 O 498/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 11.12.2003 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von dem Beklagten, seinem Kaskoversicherer, aus einem Verkehrsunfall Zahlung von Reparaturkosten in Höhe von 8.054,07 Euro.

Der Kläger fuhr mit seinem Pkw am 6.1.2003 in M. in eine Kreuzung ein, obwohl die für ihn geltende Ampel Rotlicht zeigte. Er stieß im Kreuzungsbereich mit dem aus seiner Sicht von links kommenden Fahrzeug einer anderen Verkehrsteilnehmerin zusammen, die ihrerseits bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren war. Der Beklagte beruft sich auf Leistungsfreiheit gem. § 61 VVG, weil der Kläger den Verkehrsunfall grob fahrlässig herbeigeführt habe.

Der Kläger hat gemeint, er habe den Unfall jedenfalls subjektiv nicht grob fahrlässig verursacht. Er habe sich in einem Zustand großer seelischer Anspannung befunden, weil er auf dem Weg zu seiner seit längerem kranken, nun aber im Sterben liegenden Mutter gewesen sei. Er habe als erstes Fahrzeug vor der Rotlicht zeigenden Ampel angehalten, sei in Gedanken versunken und dann durch ein Hupen aufgeschreckt worden, das er auf sich bezogen habe. In der Annahme, er habe das Grünlicht verschlafen, sei er dann einfach losgefahren.

Der Beklagte hat die vom Kläger behaupteten, angeblich unfallursächlichen Umstände bestritten; er hat insb. behauptet, der Kläger sei ohne anzuhalten in die Kreuzung eingefahren. Er hat weiter geltend gemacht, dass selbst dann, wenn die vom Kläger geschilderten Umstände sämtlich zuträfen, das Verhalten des Klägers sich als subjektiv unentschuldbare Unaufmerksamkeit darstelle.

Das LG hat die Klage abgewiesen und dies im Kern darauf gestützt, dass den Kläger auch unter Zugrundelegung der von ihm geschilderten Umstände objektiv wie subjektiv der Vorwurf grober Fahrlässigkeit treffe; wegen der Einzelheiten der Begründung sowie des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.

Der Beklagte verteidigt das Urteil.

Der Senat hat die Zeugen V., W. sowie Rolf und Peter T. vernommen. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom 8.9.2004 verwiesen.

Die Akten 64 Js 1123/03 StA Bielefeld haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlungen gewesen.

II. Die Berufung ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus §§ 1, 49 VVG, §§ 12 Abs. 1 II lit. e, 13 Abs. 1 AKB auf Leistung aus der Kaskoversicherung, denn der Beklagte ist gem. § 61 VVG leistungsfrei.

Nach der Beweisaufnahme durch den Senat steht fest, dass der Kläger den Verkehrsunfall grob fahrlässig herbeigeführt hat.

1. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urt. v. 29.1.2003 - IV ZR 173/01, MDR 2003, 505 = BGHReport 2003, 428 = VersR 2003, 364, m.w.N.).

Dabei ist nach der Rechtsprechung des BGH und des Senats bei der Beurteilung, ob ein Rotlichtverstoß grob fahrlässig ist, nicht nur auf die objektiven Tatumstände abzustellen. Es sind auch Umstände zu berücksichtigen, die die subjektive Seite der Verantwortlichkeit betreffen (BGH v. 8.7.1992 - IV ZR 223/91, MDR 1992, 945 = VersR 1992, 1085): In Abgrenzung zur einfachen Fahrlässigkeit muss ein unentschuldbares Fehlverhalten festgestellt werden können (BGH, Urt. v. 29.1.2003 - IV ZR 173/01, MDR 2003, 505 = BGHReport 2003, 428 = VersR 2003, 364; v. 8.7.1992 - IV ZR 223/91, MDR 1992, 945 = VersR 1997, 351; OLG Hamm v. 25.10.2000 - 20 U 66/00, OLGReport Hamm 2001, 207 = NJW-RR 2001, 395).

Daran kann es dann fehlen, wenn in der Person des Kraftfahrzeugführers Umstände gegeben sind, die das Fehlverhalten zumindest nachvollziehbar erklären und die geeignet sind, den Schuldvorwurf geringer als grob fahrlässig erscheinen zu lassen. Solche entlastenden Umstände sind zunächst von dem versicherten Kraftfahrzeugführer darzulegen. Es obliegt sodann allerdings der Versicherung, die behaupteten Umstände zu widerlegen, da sie für die subjektive Seite des Schuldvorwurfes - ebenso wie für die objektive - gem. § 61 VVG darlegungs- und beweisbelastet ist (BGH, Urt. v. 29.1.2003 - IV ZR 173/01, MDR 2003, 505 = BGHReport 2003, 428 = VersR 2003, 364).

2. Bezogen auf den vorliegenden Fall stellt sich ausgehend von den vorstehend aufgeführten Grundsätzen der Rotlichtverstoß des Klägers in objektiver wie in subjektiver Hinsicht als grob fahrlässig dar.

a) Regelmäßig ist dann, wenn ein Verkehrsteilnehmer ungeachtet einer für ihn Rotlicht zeigenden Ampel in eine Kreuzung einfährt, in objektiver Hinsicht ein grob fahrlässiges Fehlve...

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