Verfahrensgang

LG Hagen (Urteil vom 04.03.1997; Aktenzeichen 4 O 470/96)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen – das am 4. März 1997 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgericht Hagen abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.250,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23. Dezember 1996 zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger 50 % aller weiteren materiellen Schaden zu ersetzen, die ihm aus dem Chlorgasunfall vom 11.07.1996 an der Eismaschine Carpigiani Tarbigiane AES 381/PSP/Colore noch entstehen werden.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer der Parteien: unter 30.000,00 DM.

 

Tatbestand

I.

Die Beklagte ist Betreiberin der Freibadanlage … in …. Der Kläger betreibt dort in einem von der Stadt … gepachteten Raum eine Imbißstube. In einem anderen Raum desselben Gebäudes, der keine Verbindung zu dem vom Kläger gepachteten Verkaufsraum hat, unterhält die Beklagte eine Filteranlage, zu der das erforderliche Chlorgas durch Leitungen aus Flaschen herangeführt wird, welche in dem Raum aufgestellt sind. Am 11.07.1996 trat aus einer defekten Leitungsverbindung Chlorgas aus, daß sich u.a. auf der Imbißstubeneinrichtung niederschlug.

Mit der Begründung, dadurch sei seine neue Eismaschine beschädigt worden, hat der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, Ansprüche des Klägers aus § 2 I HPflG seien gemäß § 2 III Zi. 1, 1. Alt. HPflG ausgeschlossen, weil Schaden an der Eismaschine innerhalb des Gebäudes eingetreten sei, in dem sich auch die Chlorgasanlage befinde.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Schadensersatzbegehren weiter. Er macht geltend, die Ausschlußregelung des § 2 III Zi. 1, 1. Alt. HPflG greife nicht ein, weil sie in Fällen wie dem vorliegenden keinen Sinn habe; die Gebäudeteile seien völlig voneinander getrennt. Außerdem hätten die Bediensteten der Beklagten in mehrfacher Hinsicht gegen Unfallverhütungsvorschriften verstoßen und dadurch den Schaden verursacht. Schließlich hätte ihnen auch bei der Wartung vor dem Schadenseintritt eine Unregelmäßigkeit des Ventils an der späteren Bruchstelle auffallen müssen; diese sei auf eine Fehlbedienung zurückzuführen.

Der Kläger beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.500,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
  2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Chlorgasunfall vom 11.07.1996 an der Eismaschine Carpigiane Tarbigiane AES 381/PSP/Colore noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt mit näherer Darlegung des angefochtene Urteil.

Der Senat hat die Ermittlungsakten 41 Js 102/97 StA Hagen ausgewertet und Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses wird auf den darüber gefertigten Berichterstattervermerk Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet.

1.

Zutreffend hat allerdings das Landgericht Gefährdungshaftungsansprüche nach dem HPflG verneint.

Die Ausschlußregelung des § 2 III Nr. 1, 1 Alt. HPflG erfaßt Schäden, die innerhalb eines Gebäudes entstanden und auf eine darin befindliche Anlage zurückzuführen sind. Ausweislich der mit der Berufung überreichten Lichtbilder befinden sich Chlorgasraum und Verkaufsraum in einem einzigen Gebäude im natürlichen Sinne (darauf stellt auch OLG München, VersR 97, 621 ab), allseitig umfaßt von auf Fundamenten stehenden Außenmauern. Es ist nicht entscheidend, daß jeder Gebäudeteil nur für sich von außen zugänglich ist und man nicht innerhalb des Gebäudes von einem Teil in den anderen gelangen kann.

Es ist auch nicht geboten, den Anwendungsbereich der Gefährdungshaftung über den Wortlaut der gesetzlichen Regelung hinaus auf Fälle der vorliegenden Art auszudehnen. Die gesetzlich angeordnete Beschränkung entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. die amtliche Begründung in DJ 43, 430; Däubler, DJ 43, 414; BGH VersR 66, 586). Eine verschärfte Haftung sollte in erster Linie für solche Anlagen begründet werden, die besonders die Öffentlichkeit gefährden. Dagegen sollte für Schäden der in § 2 III Nr. 1 HPflG genannten Art der Inhaber nicht verschärft, sondern nur nach den allgemeinen Regeln gesetzlich oder vertraglich bei Vorliegen der Voraussetzungen – regelmäßig also nur bei Verschulden – haften. Daran hat sich seither nichts geändert.

2.

Es ist nicht bewiesen, daß die Bediensteten der Beklagten den Bruch des zur Leitungsanlage gehörenden Ventils verschuldet haben. Der Sachverständige hat keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein unsachgemäßes Hantieren beim Wechseln der Chlorgasflaschen gefunden und er vermochte auch nicht sicher festzustellen, daß die Korrosions...

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