Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 14.12.1988; Aktenzeichen 6 O 170/88)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14. Dezember 1988 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.

Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche entstandenen und künftig entstehenden materiellen Schäden aus dem Unfall vom 24. Dezember 1986 auf der … Straße in … zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf öffentlich-rechtliche Versorgungsträger übergegangen sind.

Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 11/20 die Klägerin und zu 9/20 der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Klägerin mit 11.000,– DM und den Beklagten mit 9.000,– DM.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Der Beklagte ist Pächter des Hauses …-Straße … in …, in dem er das … betreibt. Verpächterin ist die …-Brauerei, die das Anwesen ihrerseits von den Eigentümern, der Erbengemeinschaft …, gepachtet hat.

In der Nacht zum 24. Dezember 1986 ereignete sich im Hause an einer in der Wand gelegenen Wasserleitung ein Rohrbruch, der zum Wasseraustritt führte. Das Wasser lief durch die im Untergeschoß des Hauses gelegene Gaststätte auf den Gehweg der …-Straße und bildete dort eine Eisfläche, auf der morgens gegen 8.30 Uhr die Klägerin als Fußgängerin ausrutschte und sich bei dem Fall verletzte.

Das Landgericht hat ihre auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie auf Feststellung der Pflicht des Beklagten zum Ersatz sämtlicher materiellen und immateriellen Schäden mit der Begründung abgewiesen, dem Beklagten falle weder ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht noch gegen die allgemeine Streupflicht zu Last. Zumindest treffe ihn kein Verschulden, weil er vor dem Sturz der Klägerin weder erkannt habe noch habe erkennen müssen, daß sich infolge Wasseraustritts auf dem Gehweg Glatteis gebildet habe.

Die Berufung, mit der die Klägerin ihr erst instanzliches Begehren – vorbehaltlich des Anspruchsübergangs auf öffentlich-rechtliche Versorgungsträger – weiterverfolgt, ist zulässig, hat aber in der Sache nur zum Teil Erfolg.

Ein Schmerzensgeldanspruch gemäß § 847 BGB besteht nicht. Denn der Beklagte hat nicht gegen die allgemeine Streupflicht verstoßen (1), und soweit objektiv ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht wegen besonderer Verantwortung für eine Gefahrenlage in Betracht kommt, läßt sich ein Verschulden des Beklagten nicht feststellen (2). Ansprüche aus §§ 836 bis 838 BGB (Haftpflicht für Bauwerkschäden) entfallen zum einen deswegen, weil kein Anhalt dafür besteht, daß der Rohrbruch auf fehlerhafter Anlage oder mangelhafter Unterhaltung beruht; zum anderen ist ohnehin der Beklagte als Pächter nicht passivlegitimiert (3). Er ist aber als Inhaber der im Haus befindlichen Rohrleitungsanlage anzusehen und deswegen gemäß § 2 HPflG ohne den Nachweis eines Verschuldens zum Schadensersatz verpflichtet (4), wobei sich jedoch seine Ersatzpflicht auf den – vollen – materiellen Schaden beschränkt (5).

1.

Ein Verstoß gegen die allgemeine Streupflicht (§ 823 BGB) fällt dem Beklagten nicht zu Last. Er hat zwar, wie sich aus seinen Erklärungen im Senatstermin ergibt, gegenüber dem Terpächter bzw. den Eigentümern die winterliche Streupflicht übernommen. Die Wetterverhältnisse lösten indessen zur Unfallzeit keine allgemeine Streupflicht aus, denn von den Schneefällen der vorangegangenen Tage waren allenfalls in den Rinnsteinen noch Reste vorhanden. Daß hierdurch oder durch allgemeines Glatteis der Fußgängerverkehr gefährdet worden wäre, behauptet die Klägerin selbst nicht.

2.

Der Beklagte war zwar Verkehrssicherungspflichtig für die auf dem Gehweg vor seinem Hotel entstandene Glatteisstelle, weil diese Gefahrenquelle ihre Ursache hatte in einem Bereich, für den er – worauf noch einzugehen sein wird – gemäß § 2 HPflG die Verantwortung trug. Zutreffend hat aber insofern das Landgericht die Haftung des Beklagten gemäß §§ 823, 847 BGB mangels Verschuldens verneint, denn ihm fällt kein Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zur Last (§ 276 I 2 BGB). Anhaltspunkte dafür, daß auf Grund bestimmter Umstände mit einem Rohrbruch zu rechnen war oder daß ein Verhalten des Beklagten dazu beigetragen hat, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Ebensowenig bestehen Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte oder seine Angestellten, für die er gegebenenfalls gemäß § 831 BGB einzustehen hätte, am Unfallmorgen notwendige Kontrollen unterlassen hätten. Unstreitig hatte sich, als gegen 3.00 Uhr nachts die Gaststätte geschlossen wurde, noch keine Nässe gezeigt. Die Klägerin hat auch nicht bewiesen, daß am Morgen bereits vor ihrem Sturz die Gaststätte wieder geöffnet worden wäre, so daß die Bediensteten des Klägers Veranlassung und Gelegenheit gehabt hätten, den Wasserschaden und die daraus folgende Gefahr der Straßenglätte durch ausgelaufene...

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