Entscheidungsstichwort (Thema)

Vaterschaftsanfechtungsverfahren: Formelle Beschwer als Voraussetzung für ein Rechtsmittel

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels im Kindschaftsprozess ist eine formelle Beschwer nicht erforderlich. Dies ergibt sich aus einem „erst recht” Schluss aus § 641i Abs. 2 ZPO.

2. In der Bestellung eines Ergänzungspflegers für die Vertretung des Kindes im Anfechtungsprozess kann keine stillschweigende Entziehung des Sorgerechts bezüglich der Entscheidung über das „ob” der Anfechtung gesehen werden. Diese Entscheidung obliegt weiterhin den Eltern als Inhabern des Sorgerechts.

 

Normenkette

ZPO §§ 640h, 640i Abs. 2; BGB §§ 1600a, 1628

 

Verfahrensgang

AG Warendorf (Urteil vom 09.05.2007; Aktenzeichen 9 F 750/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Streithelferin der Klägerin wird das Urteil des AG - FamG - Warendorf vom 9.5.2007 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Ausgenommen sind die durch die im Namen der Verfahrenspflegerin und der Klägerin eingelegten Berufungen entstandenen Kosten; diese tragen die Prozessbevollmächtigten der Streithelferin der Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

Die Klägerin ficht die Vaterschaft des Beklagten an.

Sie wurde am 28.7.1995 geboren, ihre Mutter war zu diesem Zeitpunkt mit dem Beklagten verheiratet. Die Ehe wurde durch am selben Tag rechtskräftig gewordenes Urteil des AG Beckum vom 9.12.1999 geschieden; das Sorgerecht haben die Kindesmutter und der Beklagte weiterhin gemeinsam. Ein vom Beklagten in Auftrag gegebenes Gutachten des Sachverständigen Dr. Q vom 8.2.2000 kam zum Ergebnis, dass der Beklagte als Vater der Klägerin nicht in Frage kommt. Eine vom Beklagten 1999 erhobene Vaterschaftsanfechtungsklage wurde wegen Versäumung der Anfechtungsfrist nach § 1600b Abs. 1 BGB abgewiesen, seine Berufung blieb erfolglos.

Nunmehr ficht die Klägerin die Vaterschaft an. Auf Antrag des Beklagten wurde für die Klägerin eine Ergänzungspflegschaft mit dem Aufgabenkreis "Vertretung des minderjährigen Kindes L in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren" eingerichtet. Zunächst wurde das Jugendamt des Kreises Warendorf zum Pfleger bestellt. Dieses lehnte die Erhebung der Anfechtungsklage mit der Begründung ab, eine Vaterschaftsanfechtung diene nicht dem Kindeswohl. Daraufhin teilte der Rechtspfleger dem Beklagten mit, er teile die Auffassung des Jugendamtes nicht und beabsichtigte, den Antrag des Jugendamtes auf Aufhebung der Ergänzungspflegschaft zurückzuweisen. Im Hinblick auf eine zu erwartende Beschwerde des Jugendamtes werde aber Gelegenheit gegeben, eine als Ergänzungspfleger geeignete Person anzugeben, dann könne das Jugendamt als Ergänzungspfleger entlassen werden. Der Beklagte benannte daraufhin Rechtsanwalt I, der sodann durch Beschluss vom 29.8.2006 anstelle des Jugendamts zum Pfleger bestellt wurde und als Vertreter der Klägerin die Klageschrift mit dem Antrag einreicht hat, festzustellen, dass die Klägerin nicht das Kind des Beklagten ist. Der Beklagte erklärte, er erkenne die Klage an, und beantragte, zu erkennen, was rechtens ist.

Das AG hat zunächst eine Verfahrenspflegerin bestellt, die nach persönlicher Anhörung der Klägerin die Ansicht vertreten hat, die Anfechtung entspreche nicht dem Kindeswohl. Die Kindesmutter ist der Klägerin beigetreten und hat den Antrag angekündigt, die Klage als unzulässig, "hilfsweise insgesamt zurückzuweisen" und sich in der mündlichen Verhandlung des AG den Ausführungen der Verfahrenspflegerin angeschlossen, die beantragt hat, die Klage als unzulässig, hilfsweise unbegründet abzuweisen.

Das AG hat der Klage mit der Begründung statt gegeben, die Anfechtung diene dem Wohl des Kindes, insbesondere da der Klägerin durch die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft des Beklagten die Möglichkeit gegeben werde, sich mit ihrer Abstammung auseinander zu setzen. Aufgrund des vorgelegten Gutachtens stehe fest, dass die Klägerin nicht vom Beklagten abstamme.

Gegen das Urteil haben die Prozessbevollmächtigten der Kindesmutter fristgerecht Berufung eingelegt, und zwar im Namen der Klägerin, der Kindesmutter und der Verfahrenspflegerin. Der Senat hat die Verfahrenspflegschaft aufgehoben. Die Berufungen der Klägerin und der Verfahrenspflegerin sind von der Prozessbevollmächtigten der Mutter zurückgenommen worden. Diese macht weiterhin geltend, die Anfechtung diene nicht dem Wohl der Klägerin und beantragt abändernd, die Klage abzuweisen. Die Klägerin und der Beklagte halten die Berufung, deren Zurückweisung sie beantragen, mangels Beschwer der Klägerin für unzulässig und verteidigen im Übrigen das angefochtene Urteil.

II. Die Berufung ist zulässig und begründet.

1.a) Die Kindesmutter ist dem Rechtsstreit beigetreten und damit streitgenössische Nebenintervenientin geworden (vgl. BGHZ 89,121 = FamRZ 1984, 164). Als solche kann sie, auch gegen den Willen der unterstützten Partei, im eigenen Namen Rechtsmittel einlegen.

b) Sie kann auch mit dem Ziel der Klageabweisung Berufung einl...

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