Entscheidungsstichwort (Thema)

Salve einer Abmahngemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Es kann je nach den Umständen des Einzelfalls rechtsmissbräuchlich sein, wenn sechs verschiedene zuvor abgemahnte Mitbewerber, die ein Anwalt gesammelt hat, mit im Wesentlichen wortgleichen Abmahnungen wegen desselben Wettbewerbsverstoßes gegen den gleichen Abmahnenden vorgehen. Dabei ist jedem der zuvor Abgemahnten die Kenntnis des Anwalts von der mehrfachen Abmahnung und den besonderen Umständen analog § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen, weil dieser insoweit Wissensvertreter des jeweiligen Mandanten ist.

 

Normenkette

UWG § 4 Nr. 11, § 8 Abs. 4; BGB § 166 Abs. 1, § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 16.11.2010; Aktenzeichen 12 O 164/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Antragsgegners wird das am 16.11.2010 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des LG Bochum abgeändert.

Die einstweilige Verfügung vom 3.9.2010 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Die Parteien vertreiben Spielzeugartikel über die Verkaufsplattform eBay.

Unter dem 12.6.2010 mahnte der Antragsgegner 25 Mitbewerber wegen Verwendung der benutzten ("alten") Widerrufsbelehrung jeweils nach einem Gegenstandswert von 25.000 EUR, so auch den Antragsteller, ab.

Dieser beauftragte wie auch einige andere Betroffene seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt H, mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Rechtsanwalt H hatte im Internet mit seiner Tätigkeit geworben, berichtete dort über einen "Rechtsmissbrauch des Herrn H2 und forderte von diesem Abgemahnte auf, sich dringend anwaltlich beraten zu lassen (s. Anl. BK 1, BK 2). Er mahnte für 6 Mandanten den Antragsgegner wegen im Wesentlichen identischer Verstöße ab. Dieser hatte im Rahmen der Widerrufsbelehrung eine fehlerhafte "40, EUR Klausel" verwandt (= Gegenstand der Ziff. 2.1. der Abmahnungen), keine Angaben dazu gemacht, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss vom Unternehmer gespeichert wird und nicht darüber belehrt, wie ein Verbraucher mit den zur Verfügung gestellten technischen Mitteln Eingabefehler vor Abgabe der Bestellung erkennen und berichtigen könne (= Gegenstand der Ziff. 2.2. der Abmahnungen). Die Abmahnungen erfolgten dreimal am 5.7.2010 (für die Mandanten Q, Q2, S), zweimal am 9.7.2010 (für die Mandanten A und T) und einmal am 14.7.2010 (für die Mandantin Q3). Bei den Mandanten Q, S und T ging es dabei inhaltlich um das Angebot von Playmobilspielzeugen, bei Q2 und Q3 um Modeschmuck bzw. eine Modearmbanduhr.

Unter dem 14.7.2010 gab der Antragsgegner gegenüber den Mandanten Q, A und T jeweils eine strafbewehrte Unterlassungserklärung (Anl. 3 zur Antragschrift) ab.

Am 19.8.2010 stellte der Antragsteller bei Überprüfung der Unterlassungserklärung fest, dass der Antragsgegner gemäß Ausdruck Anl. 1 weiterhin keine Angaben dazu machte, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von ihm gespeichert wird und/oder ob dieser dem Kunden zugänglich ist. Er sah darin einen Verstoß gegen die Unterlassungserklärung und forderte den Antragsgegner mit Schreiben vom 19.8.2010 (Anl. 4) wegen Begründung einer neuen Wiederholungsgefahr zur Abgabe einer weiteren Unterlassungserklärung mit höherem Vertragsstrafeversprechen auf. Dies ist wiederum für die Mandanten Q, A und T parallel erfolgt.

Es wurden aufgrund dessen beim LG Bochum die folgenden Verfahren geführt, die nunmehr teilweise auch in die Berufung gelangt sind:

Abmahnung Q: 12 O 210/10 = Senat 4 U 40/11 wegen Abmahnkosten von 1.196,43 EUR; und 12 O 163/10 = Senat 4 U 8/11 wegen Verstoß gegen die Unterlassungserklärung betr. Speicherung Vertragstext

Abmahnung Q2: 12 O 162/10 = Senat 4 U 7/11 wegen Abmahnkosten von 1.196,43 EUR

Abmahnung S: 12 O 207/10 wegen Abmahnkosten von 1.196,43 EUR

Abmahnung A: 12 O 208/10 wegen Abmahnkosten von 1.196,43 EUR; und 12 O 165/10 = Senat 4 U 10/11 wegen neuem Verstoß betr. Speicherung vom 19.8.2010

Abmahnung T: 12 O 209/10 wegen Abmahnkosten von 1.196,43 EUR; und 12 O 164/10 = Senat 4 U 9/11 wegen neuem Verstoß betr. Speicherung vom 19.8.2010

Abmahnung Q3: 12 O 203/10 = Senat 4 U 51/11 wegen Abmahnkosten von 1.196,43 EUR + weiterer 899,40 EUR betr. Abschlussschreiben; zu Besonderheiten s. Urteil vom heutigen Tage im dortigen Verfahren

Weitergehend werden nach Auskunft der Parteienvertreter im Senatstermin nunmehr durch die Mitbewerber Q, A und T die Vertragsstrafen aus den Unterwerfungserklärungen vom 14.7.2010 wegen der vermeintlichen Verstöße vom 19.8.2010 beim LG Bochum geltend gemacht. Termin zur mündlichen Verhandlung soll dort am 14.6.2011 sein.

Der Antragsgegner hielt den Verstoß gemäß Schreiben vom 23.8.2010 (Anl. 5) nicht für gegeben, da in § 8 seinen AGB ausdrücklich auf die Datenspeicherung hingewiesen werde.

Unter dem 3.9.2010 hat der Antragsteller eine einstweilige Verfügung des LG erwirkt, wonach es dem Antragsgegner unter Androhung der gesetzlichen ...

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