Leitsatz (amtlich)

1. Die Pressemitteilung eines Verkehrsunternehmens, in ihren Straßenbahnen und Bussen zukünftig keine E-Scooter (Elektromobile) zu transportieren, stellt sich nicht als allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB dar.

2. § 19 AGG ist kein Verbraucherschutzgesetz im Sinne von § 2 Abs. 1 UKlaG.

3. Art. 9 Bus-Fahrgastrechte-VO enthält keine Regelungen über die Beförderung von Sache. Daher verstößt die Nichtmitnahme von E-Scootern (Elektromobilen) in Fahrzeugen des Öffentlichen Personennahverkehrs nicht gegen diese Vorschrift.

 

Normenkette

UKlaG § 2 Abs. 1; AGG § 19; Bus-Fahrgastrechte-VO Art. 9; BGB § 305

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 31.05.2016; Aktenzeichen 25 O 359/15)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 31.05.2016 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Dortmund wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

A. Der Kläger ist eine Vereinigung von Menschen mit Körperbehinderung und in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Gesetzes über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (Unterlassungsklagengesetz - UKlaG) eingetragen. Die Beklagte ist Verkehrsdienstleister für den öffentlichen Nahverkehr in C und H und betreibt in diesen Städten die Straßenbahn- und Buslinien.

In einer Pressemitteilung vom 04.12.2014 gab die Beklagte bekannt, dass sie unter Bezugnahme auf ein vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. eingeholtes Gutachten beschlossen habe, ab sofort keinerlei Personen mit E-Scootern (Elektromobilen) mehr zu befördern. Ausweislich dieses Gutachtens bestehe bei der Mitnahme von Elektromobilen in Bussen eine erhöhte Rutsch- und Kippgefahr, die selbst dann bestünde, wenn das Elektromobil auf einem für Elektrorollstühle vorgesehenen Platz entsprechend den Anweisungen abgestellt werde.

Mit Schreiben vom 26.02.2015 mahnte der Kläger die Beklagte ab und forderte sie zu einer strafbewehrten Erklärung auf, es zu unterlassen, Fahrgästen mit E-Scootern die Beförderung in ihren Fahrzeugen zu verweigern. Mit Schreiben vom 05.03.2015 lehnte die Beklagte die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab.

Der Kläger hat behauptet, die in dem, der Pressemitteilung zugrundeliegenden Gutachten getroffenen Feststellungen seien unzutreffend. Er hat die Ansicht vertreten, die Verweigerung der Beförderung von Fahrgästen mit Elektromobilen stelle eine Benachteiligung im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) dar. Die Beklagte benachteilige Fahrgäste mit Elektromobilen gegenüber allen anderen Fahrgästen, indem sie ihnen die Beförderung vollständig verweigere. Der Ausschluss erfolge aufgrund einer Behinderung, da die überwiegende Zahl der Nutzer von Elektromobilen körperlich eingeschränkt sei. Die Benachteiligung entfalle auch nicht aus der Erwägung heraus, dass die Personen ohne die Elektromobile am öffentlichen Nahverkehr teilnehmen dürften. Hierzu seien diese Personen faktisch nicht in der Lage und damit faktisch von der Benutzung ausgeschlossen. Der Kläger sei nach dem Unterlassungsklagengesetz klagebefugt. Dass Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sei ein Verbraucherschutzgesetz im Sinne des § 2 UKlaG. Hilfsweise hat sich der Kläger darauf berufen, dass das Verhalten der Beklagten wettbewerbswidrig sei, da sie in der Öffentlichkeit den Eindruck vermittle, alle Fahrgäste zu befördern.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Zivilrechtsweg sei nicht eröffnet. Das Begehren des Klägers richte sich auf die Einhaltung der in § 22 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) normierten Beförderungspflicht und sei damit öffentlich-rechtlich.

Die Beklagte hat die fehlende Klagebefugnis des Klägers gerügt. Dazu hat sie die Ansicht vertreten, das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sei kein Verbraucherschutzgesetz. Der Kläger könne sich nicht auf einen Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 307 ff. BGB berufen, da diese nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht anwendbar seien. Die Klagebefugnis lasse sich auch nicht aus § 23 AGG herleiten. Der Klageantrag beschränke sich zudem nicht darauf, Menschen mit einer Körperbehinderung zu befördern. In der Sache liege keine Unterlassungsklage, sondern eine Leistungsklage vor. Es liege schon keine Ungleichbehandlung aufgrund einer Behinderung vor. Nicht die Beförderung von körperbehinderten Menschen sei ausgeschlossen, sondern lediglich die Mitnahme von Elektromobilen als Kraftfahrzeuge. Die Ungleichbehandlung knüpfe nicht an die zu befördernde Person, sondern die Art des gewählten Krankenfahrstuhls an. Jedenfalls sei eine unterstellte Ungleichbehandlung nach § 20 AGG gerechtfertigt. Dazu behauptet die Beklagte, bei Mitnahme von E-Scootern in einem Ma...

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