Leitsatz (amtlich)

Wird eine durch den Zustand der Fahrbahn bedingte Gefahrenquelle für Zweiradfahrer (hier: in Fahrbahn eingelassener zu querender Gleiskörper) durch Gefahrenzeichen 101 (Gefahrenstelle) zu § 40 StVO mit Zusatzschild zum Charakter der Gefahrenquelle und Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h ausgewiesen, ist der gleichwohl anlässlich eines Unfalls gegen die Straßenbaubehörde erhobene Vorwurf einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht selbst dann nicht zu begründen, wenn es sich bei der Gefahrenquelle um einen Unfallschwerpunkt handelt.

Für weitere Maßnahmen im Bereich der Verkehrsregelung fehlt der Straßenbaubehörde die entsprechende Zuständigkeit.

Wird die Höchstgeschwindigkeit an einer Gefahrenstelle durch entsprechende Beschilderung beschränkt, bleibt der Verkehrsteilnehmer gleichwohl aufgerufen zu sondieren, ob die konkreten Verhältnisse (Witterung, Sicht- und Lichtverhältnisse) die absolute Höchstgeschwindigkeit zulassen, denn diese gilt nur für optimale Verkehrsbedingungen.

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Urteil vom 17.05.2004; Aktenzeichen 2 O 232/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 17.5.2004 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Hagen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger durchfuhr am 25.10.2001 gegen 10.15 Uhr innerorts von H auf der B 7 (Richtung T.) den L.-Tunnel. In die Fahrbahn sind Gleise eingelassen, die im Unfallzeitpunkt nass waren. Die Geschwindigkeit an der Unfallstelle war durch Verkehrszeichen auf 30 km/h begrenzt. Vor dem Tunnel war ferner das Verkehrszeichen 101 (Gefahrstelle) mit den Zusatzzeichen "Gleiskörper in der Fahrbahn" und "Schadhafte Fahrbahn" aufgestellt. Am Ende des Tunnels befindet sich eine Linkskurve, so dass der Verkehr die Schienen, die weiter geradeaus verlaufen, überqueren muss. Beim Überfahren der Schienen rutschte der Kläger mit dem Vorderrad weg und stürzte. An der UnfallsteIle ereigneten sich in den letzten fünf Jahren vor dem Unfall 35 Verkehrsunfälle.

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte hätte im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht bereits vor dem Unfall weiter gehende Maßnahmen treffen müssen, um den Tunnel als Gefahrenquelle zu entschärfen. Er bestreitet, mit unzulässig hoher Geschwindigkeit gefahren sei. Mit seiner Klage begehrt der Kläger Ersatz seines materiellen Schadens und ein angemessenes Schmerzensgeld.

Der Beklagte tritt diesem Begehren entgegen. Er bestreitet die Erforderlichkeit weiter gehender Sicherungsmaßnahmen und behauptet, Unfallursache sei überhöhte Geschwindigkeit des Klägers gewesen. Auch die Unfälle in den Vorjahren seien fast ausnahmslos auf Geschwindigkeitsübertretungen zurückzuführen.

Das LG hat nach Zeugenvernehmung und Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Es hat auf der Grundlage des Gutachtens das Überfahren der Schienen für einen durchschnittlich geschulten Motorradfahrer und bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h und einer Querung der Schienen in einem großen Winkel für beherrschbar erachtet.

Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger seine bisherigen Anträge in vollem Umfang weiter und rügt insb. zu geringe Anforderungen des LG an die dem Beklagten obliegende Verkehrssicherungspflicht.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen den beklagten Fiskus auch nach der Beurteilung des Senats kein Schadenersatzanspruch nach § 839 BGB i.V.m. §§ 9, 9a Straßen- und Wegegesetz NRW, Art. 34 GG zu. Ein Verstoß des Beklagten gegen die ihm obliegende Straßenverkehrssicherungspflicht ist nicht gegeben.

1. Eine Haftung des Beklagten entfällt allerdings nicht schon deshalb, weil nach § 45 Abs. 3 S. 1 StVO die Straßenverkehrsbehörde und nicht die verkehrssicherungspflichtige Straßenbaubehörde im Allgemeinen zu bestimmen hat, welche Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen wo anzubringen sind. § 45 Abs. 3 S. 3 StVO eröffnet nämlich den Straßenbaubehörden ausdrücklich die Befugnis, Gefahrzeichen anzubringen, wenn die Sicherheit des Verkehrs durch den Zustand der Straße gefährdet ist (vgl. auch BGH VersR 1957, 776 [777]; Greger, Straßenverkehrsrecht, 3. Aufl., § 16 StVG Rz. 450). Diese Befugnis beinhaltet nach anerkannter Rechtsprechung zugleich eine entsprechende Verpflichtung, deren Verletzung eine Schadenersatzpflicht nach sich zieht. Darüber hinaus haben die Straßenbaubehörden auch alle sonstigen geeigneten Sicherungsmaßnahmen - außer der Auswahl von Verkehrszeichen mit Verbots- und Gebotsinhalten (vgl. OLG Düsseldorf v. 30.11.1989 - 18 U 142/89, VersR 1990, 423) - zu ergreifen, die bei straßenbaubedingten Gefahrenquellen erforderlich sind.

Im Streitfall beruht die Gefährlichkeit der Unfallstelle auf der Verschwenkung der Fahrbahn mit der Folge einer tangentialen Überschneidung der Bahngleise sowie darauf, dass Fahrbahn und Schienen teilweise nicht plan liegen, sondern die zwischen den Schienen befindliche F...

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