Entscheidungsstichwort (Thema)

Behörde. Büro. Hausrecht. Berechtigter. Unbefugtheit des Verweilens. Publikumsverkehr. Betretungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Berechtigt zur Aufforderung des Verlassens i.S.v. § 123 Abs. 1 StGB ist der Inhaber des Hausrechts und die von ihm Ermächtigten, wobei - in Abwesenheit des Hausrechtsinhabers - auch die als ermächtigt anzusehen sind, die am Schutz des Hausrechts teilnehmen und von denen der Hausrechtsinhaber ein Einschreiten erwarten kann.

2. In dem Publikumsverkehr geöffneten Behörden ist dem Bürger, der Auskunft suchen, Anträge stellen oder Beschwerden vorbringen will, der Aufenthalt grds. gestattet. Das jedem Bürger zustehende Recht, zur Erledigung seiner behördlichen Angelegenheiten mit den Bediensteten einer Behörde zu verhandeln, schließt die freie Entscheidung der Behörde über das Verweilen aus. Die Aufforderung, sich zu entfernen, macht das weitere Verweilen aber unbefugt, wenn der Bürger sein Betretungsrecht missbraucht, indem er den ordnungsgemäßen Gang der Dienstgeschäfte durch sein Verhalten (nachhaltig) stört oder unmöglich macht.

 

Normenkette

StGB § 123

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 10 Ns 24/20)

 

Tenor

Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).

 

Gründe

Zusatz:

1.

Zutreffend stellt die Strafkammer fest, dass der Zeuge A als Beamter im Fachbereich "Tiere und Lebensmittel" des Kreises C berechtigt i.S.v. § 123 Abs. 1 StGB war, den Angeklagten seines Büros zu verweisen. Berechtigt zur Aufforderung des Verlassens ist der Inhaber des Hausrechts und die von ihm Ermächtigten, wobei - in Abwesenheit des Hausrechtsinhabers - auch diejenigen als ermächtigt anzusehen sind, die am Schutz des Hausrechts teilnehmen und von denen der Hausrechtsinhaber ein Einschreiten erwarten kann (Schönke/Schöder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., § 123 Rdn. 29; vgl. auch Krüger in: LK-StGB, 13. Aufl., § 123 Rdn. 76; Feilcke in: MK-StGB, 4. Aufl., § 123 Rdn. 34). Dementsprechend können auch Behördenbedienstete störende Besucher aus ihrem Arbeitsraum verweisen (Schönke/Schöder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., § 123 Rdn. 29). Auch wenn unklar bleibt, ob sich die Strafkammer eine Überzeugung davon verschafft hat, dass - wie zwei Zeugen es bekundet haben - die Geschäfts- und Büroordnung des Kreises C das Hausrecht für die Büroräume auf die jeweiligen (dort dienstansässigen) Mitarbeiter delegiert, so ergibt sich aus den Bekundungen der Zeugen jedenfalls nichts Gegenteiliges, so dass zumindest der am Schutz des Hausrechtes teilnehmende Zeuge A grundsätzlich berechtigt war, den Angeklagten aus seinem Büro zu verweisen.

Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist auch noch hinreichend erkennbar, dass der Angeklagte nach der Aufforderung zum Verlassen "ohne Befugnis" in dem Büro des Zeugen A verweilte. Bzgl. der Unbefugtheit des Verweilens ist der Fall, dass der Täter schon vor der Aufforderung unbefugt verweilte, von dem Fall, dass der Aufenthalt erst durch die Aufforderung unbefugt wird, zu unterscheiden (Fischer, StGB, 68. Aufl., § 123 Rdn. 37). Vor der Aufforderung zum Verlassen des Büros verweilte der Angeklagte - wie die Strafkammer zutreffend ausführt - befugt in dem Büro. In dem Publikumsverkehr geöffneten Behörden ist dem Bürger, der Auskunft suchen, Anträge stellen oder Beschwerden vorbringen will, der Aufenthalt grds. gestattet (Fischer a.a.O. Rdn. 38). Das jedem Bürger zustehende Recht, zur Erledigung seiner behördlichen Angelegenheiten mit den Bediensteten einer Behörde zu verhandeln, schließt die freie Entscheidung der Behörde über das Verweilen aus. Die Aufforderung, sich zu entfernen, macht das weitere Verweilen aber unbefugt, wenn der Bürger sein Betretungsrecht missbraucht, indem er den ordnungsgemäßen Gang der Dienstgeschäfte durch sein Verhalten (nachhaltig) stört oder unmöglich macht (Krüger in: LK-StGB, a.a.O., Rdn. 85).

Der Angeklagte befand sich ausweislich der getroffenen Feststellungen zunächst zum Vorbringen eines Anliegens im Büro des Zeugen A, nachdem ihm zuvor seitens des Kreises C ein Anhörungsbogen zur beabsichtigten Wegnahme und Veräußerung seiner Pferde zugeleitet worden war und er sich deswegen zu dem zuständigen Fachabteilungsleiter A begeben hatte. Sich persönlich an die Behörde zu wenden (anstatt den Anhörungsbogen auszufüllen), stellt keine nachhaltige Störung des Dienstbetriebes dar, auch wenn das Verhalten womöglich für die Behördenmitarbeiter unerwünscht war.

Durch die zwischenzeitlich von dem Angeklagten begangene versuchte Nötigung war der Aufenthalt (jedenfalls) zum Zeitpunkt der Aufforderung zum Verlassen nicht etwa deswegen unbefugt geworden, weil nunmehr ein Wechsel des Aufenthaltsziels (weg von dem Sichverschaffen rechtlichen Gehörs hin zur Begehung von Straftaten) eingetreten war. Die Begehung der S...

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