Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehewohnung bei Getrenntleben: Anspruch des ausgezogenen Ehegatten auf Nutzungsvergütung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sind getrennt lebende Ehegatten zugleich Mitglieder einer Eigentümergemeinschaft i.S.d. §§ 741 ff. BGB an der Ehewohnung, richtet sich der Anspruch auf Zahlung von Nutzungsentschädigung für die Zeit des Getrenntlebens der Eheleute bzw. der nachehelichen Zeit nach § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB.

2. Zur Höhe der Nutzungsentschädigung unter Berücksichtigung des Mietwertes, der Einkommensverhältnisse der Parteien sowie der Mitbenutzung durch volljährige Kinder.

 

Normenkette

BGB § 1361b Abs. 3 S. 2, § 745 Abs. 2, § 741; HausrVO § 2; HausrVO § 3

 

Verfahrensgang

AG Bochum (Beschluss vom 14.07.2010; Aktenzeichen 58 F 200/10)

 

Tenor

In Abänderung der Entscheidung des AG - Familiengerecht - Bochum vom 14.7.2010 und unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde wird die Antragsgegnerin verpflichtet, an den Antragsteller eine Nutzungsentschädigung zu zahlen i.H.v. monatlich 150 EUR für die Zeit vom 1.5.2010 bis zum 31.3.2011 und i.H.v. 300 EUR monatlich für die Zeit ab 1.4.2011. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten beider Instanzen tragen die Parteien jeweils zur Hälfte; außer-gerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird - endgültig - auf 3.600 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten - getrennt lebende Eheleute - streiten um die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Nutzungsentschädigung für die Ehewohnung. Sie sind zu je ½ Miteigentümer eines Grundstücks in C, H-Straße. Das Grundstück ist bebaut mit einem Reihenmittelhaus, das die Beteiligten als Ehewohnung genutzt haben. Seit dem Auszug des Antragstellers im März 2010 wohnt die Antragsgegnerin mit dem gemeinsamen volljährigen Sohn der Beteiligten in dem Objekt, dessen Nebenkosten sie trägt.

Der Antragsteller hat beantragt, die Antragsgegnerin zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung i.H.v. monatlich 400 EUR ab April 2010 zu verpflichten. Das Haus habe eine Marktmiete von wenigstens 800 EUR, von der ihm die Hälfte zustehe.

Die Antragsgegnerin ist dem entgegen getreten. Sie hat u.a. geltend gemacht, sie sei nicht leistungsfähig, weil ihr Einkommen unterhalb des Selbstbehalts liege.

Das AG hat dem Antragsteller eine Nutzungsentschädigung i.H.v. monatlich 300 EUR ab April 2010 zugesprochen. Es hat die Einkünfte beider Beteiligter ermittelt und festgestellt, bei einer Zahlung i.H.v. 224 EUR monatlich von der Antragsgegnerin an den Antragsteller hätten beide Beteiligte gleich hohe Einkünfte. Dieser Betrag sei auf 300 EUR zu erhöhen, weil die Antragstellerin von dem Sohn der Beteiligten einen Wohnkostenbeitrag fordern könne, der dem Antragsteller zur Hälfte zustehe.

Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde. Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen auf ihren erstinstanzlichen Vortrag, den sie u.a. durch Vorlage eines Marktwertgutachtens vertieft. Sie beantragt,

den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass der Antrag auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung zurückgewiesen wird.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II. Die nach §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 FamFG zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nur teilweise begründet.

1. Wie der Senat mit Urteil vom 1.7.2010 (3 UF 222/09) ausgeführt hat, richtet sich der Anspruch auf Zahlung von Nutzungsentschädigung für die Zeit des Getrenntlebens der Parteien nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB als lex specialis ggü. der Vorschrift des § 745 Abs. 2 BGB (vgl. OLG Hamm FamRZ 2008, 1639; OLG München, FamRZ 2007, 1655). Denn für getrennt lebende Eheleute, die - wie hier - zugleich Mitglieder einer Eigentümergemeinschaft i.S.d. §§ 741 ff. BGB an der Ehewohnung sind, verdrängt für die Frage einer zu zahlenden Nutzungsentschädigung die Regelung des § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB bzw. der §§ 2, 3 HausratsVO die allgemeine Regelung des § 745 Abs. 2 BGB als lex specialis für die Trennungszeit bzw. die nacheheliche Zeit. Dies gilt auch dann, wenn der weichende Ehegatte die Ehewohnung freiwillig verlassen hat und sie dem verbleibenden Ehegatten freiwillig zur Nutzung überlassen hat und somit die eigentliche Zuweisung der Ehewohnung nicht Streitgegenstand ist. Hier ist § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB auch weiterhin anwendbar, weil es sich bei der streitbefangenen Wohnung noch um die Ehewohnung der Parteien handelt. Allein ein freiwilliger Auszug eines Ehegatten und die Überlassung der Wohnung an den anderen Ehegatten - auch wenn dies in der Vorstellung geschieht, die Wohnung nicht mehr gemeinsam nutzen zu wollen - beseitigt den Status der Ehewohnung nicht. Insoweit ist eine eindeutige und endgültige Einigun...

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