Entscheidungsstichwort (Thema)

Örtliche Zuständigkeit des FamG

 

Leitsatz (amtlich)

Die ausschließliche örtliche Zuständigkeit des mit der Ehesache befassten Gerichts für die in § 621 Abs. 2, S. 1 ZPO genannten Familiensachen betrifft nur solche Verfahren, die im Zeitpunkt der Anhängigkeit der Ehesache noch nicht rechtshängig sind. Für im Zeitpunkt der Anhängigkeit der Ehesache bereits bei anderen Gericht rechtshängige Familiensachen wird die örtliche Zuständigkeit des mit der Ehesache befassten Gerichts erst durch Verweisung oder Abgabe an das Gericht der Ehesache nach Rechtshängigkeit der Ehesache begründet.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 621 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

AG Gelsenkirchen (Aktenzeichen 24 F 183/06)

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das AG - FamG - Gelsenkirchen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts (als Teil der elterlichen Sorge) für den gemeinsamen Sohn E (geb. am ...), welcher nach der Trennung der Eltern zunächst beim Vater verblieben und am 20.7.2006 in den Haushalt der Mutter gewechselt ist. Der Vater wohnt im Bezirk des AG Gelsenkirchen, die Mutter wohnt im Bezirk des AG Gelsenkirchen-Buer.

Das AG - FamG - Gelsenkirchen hat den bei ihm am 23.5.2006 im Verfahren 24 F 183/06 eingegangenen Antrag des Kindesvaters (auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn alleine) am 29.5.2006 der Kindesmutter förmlich zugestellt.

Über die örtliche Zuständigkeit für den am 22.5.2006 von der Kindesmutter vor dem AG - FamG - Gelsenkirchen im Verfahren 24 F 237/06 gestellten Scheidungsantrag, verbunden mit einem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe, hat der Senat durch Beschluss vom 22.12.2006 entschieden und die Zuständigkeit des AG - FamG - Gelsenkirchen-Buer festgestellt. Das AG - FamG - Gelsenkirchen-Buer hat die begehrte Prozesskostenhilfe für den Scheidungsantrag durch Beschluss vom 31.1.2007 (wegen Nichtablauf des Trennungsjahres) verweigert. Seitdem wird das Scheidungsverfahren nicht weiter betrieben.

Das AG - FamG - Gelsenkirchen hat das Verfahren betreffend die elterliche Sorge mit Beschluss vom 17.11.2006 an das AG - FamG - Gelsenkirchen-Buer verwiesen mit der Begründung, dass dort die Ehesache (Scheidung) anhängig sei. Mit Beschluss vom 23.2.2007 hat das AG - FamG - Gelsenkirchen-Buer die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Daraufhin hat sich das AG - FamG - Gelsenkirchen durch Beschluss vom 13.3.2007 für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Senat zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt.

II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 I Nr. 6 ZPO sind gegeben, da sich sowohl das AG - FamG - Gelsenkirchen als auch das AG - FamG - Gelsenkirchen-Buer durch begründeten und dem jeweils anderen Gericht zugestellten Beschluss für örtlich unzuständig erklärt haben.

Die örtliche Zuständigkeit des AG - FamG - Gelsenkirchen folgt aus den §§ 36 I 1, 43 I, 64 III 2 FGG. Danach ist dasjenige Gericht für die Regelung der elterlichen Sorge örtlich zuständig, in dessen Bezirk das betroffene minderjährige Kind seinen Wohnsitz hat. Dass E zum Zeitpunkt der Antragstellung im Sorgerechtsverfahren einen Doppelwohnsitz - sowohl am Wohnort des Vaters, als auch am Wohnort der Mutter - hatte, weil das minderjährige Kind seinen Wohnsitz vom Wohnsitz der sorgeberechtigten Eltern ableitet (§§ 7 II, 11 BGB) und beide Eltern ihren Wohnsitz am Ort unterschiedlicher Gerichte haben, steht der Begründung des Zuständigkeit des AG - FamG - Gelsenkirchen nicht entgegen. In diesem Fall der Wahlzuständigkeit entsteht die örtliche Zuständigkeit bei dem Gericht, bei dem das Verfahren (zuerst) rechtshängig gemacht wird (vgl. Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 26. Aufl., § 35 Rz. 2). Rechtshängig wurde das Verfahren betreffend die elterliche Sorge durch Zustellung der Antragsschrift an die Kindesmutter durch das AG - FamG - Gelsenkirchen am 29.5.2006 (vgl. §§ 253 I, 261 I ZPO).

Die örtliche Zuständigkeit des AG - FamG - Gelsenkirchen ist nicht durch die Verweisung des Rechtsstreits an das AG - FamG - Gelsenkirchen-Buer nach § 621 III ZPO aufgehoben worden. Eine zuständigkeitsbegründende Verweisung nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass die Ehesache beim FamG in Gelsenkirchen-Buer rechtshängig geworden ist. Daran fehlt es, denn eine förmliche Zustellung des Scheidungsantrags der Kindesmutter an den Kindesvater in dem dort anhängigen Scheidungsverfahren ist nicht erfolgt.

Die örtliche Zuständigkeit des AG - FamG - Gelsenkirchen-Buer folgt auch nicht aus § 621 II Nr. 1 ZPO.

Zwar ist die Ehesache (Scheidung) weiterhin beim AG - FamG - Gelsenkirchen-Buer anhängig, denn die Kindesmutter hat ihren Scheidungsantrag nicht unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Die Ablehnung der Prozesskostenhilfe für die Scheidung beseitigt deren Anhängigkeit nicht (vgl. Wieczorek/Schütze-Kemper, Zivilprozessordnung und Nebengesetze, 3. Aufl., § 621 Rz. 124).

§ 621 II ZPO begründet jedoch eine ausschließliche Zuständigkeit nur für solche...

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