Leitsatz (amtlich)

Im Verfahrenskostenhilfeverfahren können derzeit die Fahrtkosten anstelle mit einer Pauschale von 5,20 EUR je Entfernungskilometer auch mit den Kilometerpauschalen nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien je gefahrenen Kilometer berechnet werden.

 

Normenkette

SGB XII § 82; ZPO § 115

 

Verfahrensgang

AG Rheine (Aktenzeichen 18 F 348/21)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 5.10.2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Rheine vom 27.9.2022 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 17.10.2022 dahin abgeändert, dass die monatlich zu zahlende Rate auf 64,- EUR festgesetzt wird.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Eine Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird nicht erhoben.

Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.

 

Gründe

I Mit Beschluss vom 27.9.2022 hat das Amtsgericht den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin wegen unzureichender Angaben zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zurückgewiesen. Mit ihrer sofortigen Beschwerde hat die Antragstellerin ihre Angaben vervollständigt. Mit Teilabhilfebeschluss vom 17.10.2022 hat das Amtsgericht sodann der Beschwerde insoweit abgeholfen, als es Verfahrenskostenhilfe bewilligt und hierauf monatliche Raten in Höhe von 166,- EUR festgesetzt hat. Hierbei hat es Fahrtkosten für die Fahrt zur Arbeit bei 20 Entfernungskilometern mit 20 × 5,20 EUR = 104,00 EUR berücksichtigt hat. Im Übrigen hat es der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin nicht abgeholfen.

Die Antragstellerin rügt mit ihrer sofortigen Beschwerde, die Fahrtkosten seien nicht mit 5,20 EUR pro Entfernungskilometer, sondern entsprechend der unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm mit 0,42 EUR pro gefahrenen Kilometer zu berücksichtigen. Daraus ergebe sich ein Abzug von 308,- EUR anstelle von 104,- EUR.

II Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet.

1. Der Senat berücksichtigt die Fahrtkosten nicht mit dem Ansatz von 5,20 EUR pro Entfernungskilometer, sondern entsprechend Ziff. 10.2.2. der Hammer Leitlinien zum Unterhaltsrecht mit 0,42 EUR pro gefahrenen Kilometer. Zwar hat der Bundesgerichtshof in zwei Entscheidungen aus dem Jahr 2012 (Beschluss vom 8.8.2012 - XII ZB 291/11, FamRZ 2012, 1629; Beschluss vom 13.6.2012 - XII ZB 658/11, FamRZ 2012, 1374) ausgeführt, es sei nicht zu beanstanden, die Fahrkosten entsprechend § 3 Abs. 6 Nr. 2a der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch mit der Pauschale von 5,20 EUR pro Entfernungskilometer pro Monat zu berechnen. Dem Antragsteller sei dann offenzuhalten, höhere Kosten nachzuweisen, da die Pauschale nur die Betriebskosten und die Steuern, nicht aber die Versicherungsbeiträge und Anschaffungskosten beinhalte. Dem folgt die obergerichtliche Rechtsprechung (z.B. OLG Hamm, Beschl. v. 27.4.2022 - 7 WF 73/22 - juris Rn. 6; OLG Dresden MDR 2022, 271).

a) Der Bundesgerichtshof hat in den zitierten Entscheidungen allerdings betont, dass der Ansatz der Fahrtkosten mit der Pauschale von 5,20 EUR pro Entfernungskilometer nicht gesetzlich zwingend, sondern lediglich nicht zu beanstanden ist. Zutreffend ist allerdings, dass teilweise davon ausgegangen wird, im Bereich der Verfahrenskostenhilfe müsse mit der Pauschale von 5,20 EUR pro Entfernungskilometer gerechnet werden (z.B. Dose in Wendl/Dose, 10. Aufl., § 1 Rn. 140). Zu rechtfertigen ist der Ansatz, der unter dem Ergebnis einer Berechnung mit einer Kilometerpauschale nach den jeweils gültigen Unterhaltsleitlinien pro gefahrenen Kilometer bleibt, mit der engen Verknüpfung zwischen dem Recht der Verfahrenskostenhilfe und dem Sozialhilferecht (BGH FamRZ 2012, 1374 - juris Rn. 19). Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien stellen nach Ansicht des BGH auf den Einkommensbegriff des BGB ab. Dabei gehe es um eine ausgewogene Verteilung der Mittel. Die Bedürftigkeit orientiere sich am Lebensstandard des Berechtigten und Verpflichteten. Das SGB XII wolle nur eine Mindestsicherung garantieren (BGH, aaO - juris Rn. 19, 20).

b) Diese Argumentation hält der erkennende Senat deswegen für nicht vollständig überzeugend, weil bei dem Ansatz notwendiger Fahrtkosten im Minderjährigenunterhalt selbst bei gesteigerter Erwerbsobliegenheit (§ 1603 Abs. 2 BGB) und der Gefährdung des Mindestunterhalts notwendige Fahrtkosten nicht mit einer abweichenden Pauschale berechnet werden als sonst. Allenfalls wird die Notwendigkeit der Pkw-Nutzung und die Obliegenheit, die Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsstätte zu verkürzen, diskutiert (Dose in Wendl/Dose, aaO, § 1 Rn. 136ff. mwN). Hinzu kommt, dass die unterhaltsrechtliche Kilometerpauschale umfassend gilt und sämtliche Kosten, also auch für Versicherung, Neuanschaffung und Wartung/Reparaturen umfasst. Die unterhaltsrechtliche Kilometerpauschale schafft damit im Massengeschäft der Verfahrenskostenhilfe eine erhebliche und aus Sicht ...

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