Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob ein Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen noch in der Hauptverhandlung gestellt werden kann

 

Verfahrensgang

AG Ibbenbüren (Entscheidung vom 07.10.2002)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Der Einspruch des Betroffenen vom 22. Januar 2002 gegen den Bußgeldbescheid des Landrats des Kreises Steinfurt vom 14. Januar 2002 wird kostenpflichtig verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

 

Gründe

I.

Durch Bußgeldbescheid des Landrats des Kreises Steinfurt vom 14. Januar 2002 war gegen den Betroffenen wegen ordnungswidrigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinwirkung gemäß § 24 a Abs. 1 StVG eine Geldbuße von 250,00 EUR sowie ein einmonatiges Fahrverbot festgesetzt worden.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 22. Januar 2002 hat der Betroffene dagegen rechtzeitig Einspruch eingelegt.

Zum Hauptverhandlungstermin vom 7. Oktober 2002 vor dem Amtsgericht Ibbenbüren ist der ordnungsgemäß geladene Betroffene, der ausweislich der Ladungsverfügung vom 2. August 2002 von seiner Pflicht zum Erscheinen gemäß § 73 Abs. 1 OWiG nicht entbunden worden war, unentschuldigt nicht erschienen. Im Hauptverhandlungsprotokoll ist festgehalten, "Der Betroffene konnte zum Termin nicht erscheinen". Es steht zu vermuten, dass diese Mitteilung von dem zum Termin offenbar in Untervollmacht erschienenen Rechtsanwalt K. stammte. Anschließend fährt das Protokoll fort, "Der Betroffene wurde von der persönlichen Erscheinungspflicht entbunden".

Nachdem Rechtsanwalt K. anschließend erklärt hatte, der Betroffene räume den gegen ihn laut Bußgeldbescheid erhobenen Vorwurf ein, wurde die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt und das angefochtene Urteil verkündet, wonach eine Geldbuße in Höhe von 500,00 EUR sowie ein dreimonatiges Fahrverbot festgesetzt worden ist.

II.

Die dagegen gerichtete statthafte und zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der Rüge der Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG Erfolg.

Der Betroffene, der keinen Entbindungsantrag gemäß § 73 Abs. 2 OWiG gestellt hatte, war gemäß § 73 Abs. 1 OWiG zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet. Nachdem er ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben war, hätte das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil verwerfen müssen. Dass der Betroffene im Hauptverhandlungstermin - ohne entsprechenden Antrag - von seiner Anwesenheitspflicht entbunden worden ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Es ist bereits höchst fraglich, ob ein Entbindungsantrag noch in der Hauptverhandlung gestellt werden kann (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 73 Rdnr. 4 m.w.N.). Diese Frage kann, da im vorliegenden Fall schon ein derartiger Antrag nicht gestellt worden ist, dahinstehen. Wenn, wie hier, der Betroffene ohne genügende Entschuldigung im Hauptverhandlungstermin ausbleibt, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war, hat das Gericht gemäß § 74 Abs. 2 OWiG den Einspruch ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil zu verwerfen, wobei § 74 Abs. 2 OWiG eine "Muss-Vorschrift" ist, die ein Ermessen des Gerichts ausschließt (vgl. Göhler a.a.O. Rdnr. 34 m.w.N.).

Da eine andere Entscheidung ausscheidet, hat der Senat gemäß § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst entschieden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 3 StPO (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 473 Rdnr. 23 m.w.N.).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2577404

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge